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Die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats

Die Widersprüchlichkeit des reproduktiven Klassenkampfes

Das Proletariat ist zum Klassenkampf gezwungen, weil es sich sonst unter dem Kommando des Kapitals sprichwörtlich totarbeiten würde. Doch indem das Proletariat sich durch den Klassenkampf reproduziert, reproduziert es auch das Kapitalverhältnis und den Staat.

Reproduktiver Klassenkampf ist Teil der Kapitalvermehrung, die Antworten der Charaktermasken des Kapitals auf den proletarischen Klassenkampf gewährleisten die Modernisierung des Kapitalismus. Kürzere Arbeitszeiten durch Klassenkampf des Proletariats führen zur Arbeitsverdichtung, so dass das Proletariat in kürzerer Zeit mehr Profit produziert. Höhere Löhne können dazu führen, dass der Einsatz von Maschinen profitabel wird und lebendige Arbeitskraft ersetzt, was vorher bei niedrigeren Löhnen nicht profitabel war. Außerdem können Lohnerhöhungen zur Produktionsverlagerung in „Billiglohnländer“ führen. Außerdem wird Kapital aus der Produktion in die Finanzspekulation verlagert. All dies führt zur verstärkten Arbeitslosigkeit, welche wiederum Druck auf die Löhne ausübt.

Wenn der Produktionsausfall durch Klassenkampf zu stark wird und die Löhne stärker steigen als die Arbeitsproduktivität, dann wird die Produktion unprofitabel. Dies geschah in der internationalen Streikwelle von 1968 bis 1974.Die Antwort des Kapitals war seine so genannte „neoliberale“ Offensive: Verstärkte Ausbeutung des Proletariats, Sieg über den Staatskapitalismus im „Kalten Krieg“, und Deregulierungen und Privatisierungen innerhalb des Privatkapitalismus. Nachdem die Gewinne jahrelang privatisiert worden sind, werden nun in der Krise die Verluste verstaatlicht und vom Proletariat bezahlt. Die „neoliberale“ Offensive des Kapitals zur verstärkten Ausbeutung des Proletariats hat die Mehrwertrate erhöht, aber die proletarische Nachfrage auf den Konsumgütermärkten gesenkt. Dadurch ist in vielen Branchen eine Profitrealisationskrise entstanden, z.B. in der Autoindustrie. Aber das Kapital kann gerade in der Überproduktionskrise nicht die Löhne erhöhen, wie das die ReformistInnen fordern, sondern muss gerade in der Krise darauf setzen, die Ausbeutungsrate zu erhöhen, indem zum Beispiel die Arbeitszeit und die Löhne gekürzt werden. Es kann im Kapitalismus keine langfristige „offensive Lohnpolitik“ geben, deshalb ist eine proletarische Offensive gegen die Lohnarbeit notwendig. Doch zu dieser Offensive ist die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung (sozialdemokratische/ „kommunistische“ „ArbeiterInnenparteien“ und alle Gewerkschaften) nicht fähig, da die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung eine Bewegung für abstrakte „Arbeit“ für Geld, eben die Lohnarbeit, ist.

Parteien reproduzieren die bürgerliche Klassenherrschaft in BerufspolitikerInnen und lohnabhängige Parteibasen. BerufspolitikerInnen sind Teil der herrschenden kapitalistischen Klasse. „ArbeiterInnenparteien“ reproduzieren die herrschende Politik als Elendsverwaltung im Interesse des Kapitals. Es kann keine proletarische Politik geben, sondern nur eine Aufhebung der Politik durch das Proletariat, was zugleich die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats darstellt. „ArbeiterInnenparteien“ brachten in den Bürokratien dieser Organisationen kleinbürgerliche BerufspolitikerInnen hervor, die danach strebten großbürgerlich zu werden, sprich die Kapitalvermehrung in „Regierungsverantwortung“ mit zu verwalten. Die sozialdemokratischen Parteien waren in der Praxis kleinbürgerliche Reformparteien, die sich in den herrschenden Parlamentarismus integrierten. Die deutsche Sozialdemokratie wurde großbürgerlich durch die Mitorganisation des 1. Weltkrieges und die Niederschlagung proletarischer Revolten in der revolutionären Nachkriegskrise von 1918 bis 1923.

Der Bolschewismus erlangte die Staatsmacht durch einen bürokratischen Staatsstreich inmitten einer revolutionären Krise und mit Hilfe anfänglicher, proletarischer und bäuerlicher Illusionen. Die Bolschewiki verstaatlichten die Produktionsmittel und schufen dadurch einen Staatskapitalismus. Dadurch wurde die kleinbürgerliche bolschewistische Parteibürokratie zur herrschenden Klasse, als staatskapitalistische Großbürokratie

Marx/Engels waren sowohl scharfsinnige Kritiker des Kapitalismus, mit deren Hilfe wir den Parteimarxismus als staatskapitalistische Ideologie kritisieren können, aber auch als Politiker und Ideologen der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung die ideologischen Wegbereiter von Sozialdemokratie und dem so genannten Partei-„Kommunismus“, der in Wirklichkeit nur die verlogenste Form des Antikommunismus darstellt.

Gewerkschaften sind der bürokratisch entfremdete Ausdruck des reproduktiven Klassenkampfes. Indem die höchsten Spitzen der Gewerkschaftsbürokratie über Tarifsystem, Betriebsratssitze (die großen Betriebsratsfürsten) und Aufsichtsratssitze zu den untersten Schichten der herrschenden kapitalistischen Klasse werden, werden die Gewerkschaften in das Kapitalverhältnis integriert. Das Verhalten von Gewerkschaften wird bestimmt von den eigenen Interessen der Gewerkschaftsbürokratie, den Bedürfnissen der Kapitalvermehrung, der staatlichen Politik und dem Druck der eigenen proletarischen Gewerkschaftsbasis. Es gibt auch regelrechten Gewerkschaftskapitalismus. Das sind gewerkschaftseigene Druckereien und andere Betriebe, bei denen die Gewerkschaftsbürokratie direkt die Ausbeutung der ArbeiterInnenklasse organisiert.

Die Gewerkschaftsbürokratien handeln durch das Tarifsystem mit Kapital/Staat zusammen die Höhe der Löhne aus und werden somit zu Co-Mangerinnen des variablen Kapitals. Das Tarifrecht ist bürgerliches Recht und beruht auf den Staat als Garant dieses Rechtes. Wer, wie die anarchosyndikalistische FAU Tariffähigkeit anstrebt, orientiert sich auf staatsförmigen Legalismus und Sozialreformismus. Dass Kapital und Staat derzeit nur sehr bedingt mit den AnarchosyndikalistInnen von der FAU spielen wollen, lügen sich diese GewerkschaftsideologInnen als Beweis ihrer angeblichen Radikalität zusammen. Doch Tariffähigkeit anstreben und gleichzeitig ein konsequenter Feind des kapitalistischen Staates zu sein, ist in der Praxis unmöglich. Lediglich in der anarchosyndikalistischen Ideologieproduktion, welche für das Proletariat nicht ungefährlich ist, ist das möglich.

Von der anarchosyndikalistischen FAU heißt eine Losung „keine Arbeit ohne Lohn“, während es für proletarische RevolutionärInnen nur heißen kann: Nieder mit der Lohnarbeit! Doch das ist die FAU: Gewerkschaftsreformistische Realpolitik als faktische Akzeptanz der Lohnarbeit, aber dafür stellt sie Kalender „gegen die Lohnarbeit“ her. Die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung stellt die Versteinerung und Legalisierung des reproduktiven Klassenkampfes dar, um diesem die potenziell revolutionäre Spitze zu brechen.

Die Betriebsräte sind Organe der Wirtschaftsdemokratie, also Organe der sozialen Diktatur des Kapitals über das Proletariat. ReformistInnen aller Einfärbungen setzen auf Betriebsräte, in Deutschland neben den DGB-Gewerkschaften auch die AnarchosyndikalistInnen von FAU und I.W.W., während proletarische RevolutionärInnen auf kompromisslosen und nichtinstitutionalisierten Klassenkampf setzen. Sagen wir es ganz offen: RevolutionärInnen setzen dem reformistischen Gewäsch von der Wirtschaftsdemokratie den offensiven Kampf für die Diktatur des Proletariats gegenüber. Allerdings meinen wir mit Diktatur des Proletariats keine staatskapitalistische Parteidiktatur wie die meisten MarxistInnen, sondern den militanten, sozialen und antipolitischen Kampf des Proletariats. Die Diktatur des Proletariats kann keine Staatsform sein, wie die MarxistInnen behaupten, sondern kann nur die Zerschlagung des Staates durch das Proletariat bedeuten. Die Diktatur des Proletariats ist ein notwendiger stählerner Besen, der den ganzen kapitalistischen Dreck wegfegt. Schon im reproduktiven Klassenkampf ist das Proletariat dazu gezwungen diktatorisch und gewalttätig gegenüber KapitalistInnen, ManagerInnen, Bullen, SoldatInnen und StreikbrecherInnen, vorzugehen. In seinem Klassenkampf kann und darf das Proletariat keine Rücksicht auf niedliche bürgerliche Ideale wie zum Beispiel die Menschenrechte nehmen. In der Französischen Revolution wurde den ArbeiterInnen jegliche Organisation mit der Begründung verboten, diese würde sich gegen das Menschenrecht ihrer AusbeuterInnen richten. Damit haben wir klar den sozialen Inhalt der Menschenrechte vor uns: Das Recht des Kapitals das Proletariat hemmungslos auszubeuten und zu unterdrücken, und diejenigen ProletarierInnen, die sich dagegen wehren, einzusperren, zu foltern und zu ermorden. Wer vom Kapital die Einhaltung der Menschenrechte fordert, wie das innerhalb der politischen Linken eine weit verbreitete Mode ist, akzeptiert die Diktatur des Kapitals. RevolutionärInnen scheißen auf die Menschenrechte des Kapitals. Die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats bedeutet nicht die Verwirklichung der Menschenrechte, sondern deren Aufhebung. Auch während des Klassenkampfes kann das Proletariat auf die Menschenrechte des Klassenfeindes keinerlei Rücksicht nehmen. Das gilt schon für den reproduktiven Klassenkampf, wo das Proletariat manchmal gezwungen ist, Bullen oder SoldatInnen das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit oder gar das auf Leben zu nehmen. Nur kleinbürgerliche PazifistInnen können die Gewalt der UnterdrückerInnen, die Diktatur des Kapitals und die Gewalt der Unterdrückten, die Diktatur des Proletariats, auf eine Stufe stellen. Das Proletariat ist noch nicht mal in der Lage gewaltlos mehr Lohn und weniger Arbeitszeit zu erkämpfen, wie soll es sich da gewaltlos selbst aufheben können. Nein, die Diktatur des Proletariats ist eine Notwendigkeit des Klassenkampfes. Ja, dieser Begriff wurde von den MarxistInnen-LeninistInnen in ihr Gegenteil verkehrt, indem sie ihre Diktatur des Staatskapitals so bezeichneten. Doch wir KommunistInnen sollten uns unsere Begriffe nicht vom Antikommunismus diktieren lassen. Wir benutzen den Begriff „Diktatur des Proletariats“ sehr selbstbewusst, um den groß- und kleinbürgerlichen DemokratInnen zu demonstrieren, dass wir uns von ihnen nicht in die Diktatur des Kapitals integrieren lassen wie die Parteien und Gewerkschaften.

Die Diktatur des Proletariats ist selbstverständlich kein Selbstzweck. Im reproduktiven Klassenkampf ist sie das Mittel zum Zweck von Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzung, oder der Verhinderung von Betriebsschließungen. In der sozialen Revolution muss sie das Ziel verfolgen, den Staat zu zerschlagen und die kapitalistische Warenproduktion, und damit sich selbst als Proletariat, aufzuheben. Die Diktatur des Proletariats kann im reproduktiven Klassenkampf nur sporadisch und keimhaft ausgeprägt sein, aber sie muss in der sozialen Revolution seine ganze gewaltige Kraft entfalten: Gnadenlos gegenüber der bewaffneten Konterrevolution und gegenüber der unbewaffneten höchstens repressive Toleranz!

Schon der reproduktive Klassenkampf und die in ihm enthaltenen Keime von proletarischen Diktaturen zeigen revolutionäre Tendenzen. Das proletarische Elend liegt im kapitalistischen Eigentum an den Produktionsmitteln, an ihrem Kapitalcharakter, und den Warencharakter ihrer eigenen Arbeitsprodukte begründet. Ja, die ProletarierInnen sind im Arbeitsprozess selbst produktives variables Kapital. Die Not zwingt sie bereits instinktiv und unbewusst im alltäglichen Klassenkampf, das Kapitaleigentum von Produktionsmitteln, den Warencharakter der Arbeitsprodukte, und sich selbst als produktives, variables Kapital, also sich selbst als Proletariat vorübergehend, tendenziell und potenziell, aufzuheben. Das geschieht zum Beispiel, indem sie illegal mit den kapitalistischen Produktivkräften für sich selbst Güter herstellen. Die Produkte sind während dieser Zeit kein Warenkapital, die Produktionsmittel kein produktives Kapital und die ArbeiterInnen selbst kein variables Kapital mehr.

Das sind die revolutionären Tendenzen des reproduktiven Klassenkampfes, die oft noch instinktiv und un- bzw. vorbewusst sind. Es ist die Aufgabe von proletarischen RevolutionärInnen das Instinktive bzw. Un/Vorbewusste bewusst zu machen. Denn die soziale Revolution kann nicht spontan und instinktiv siegen, sondern erfordert ein enormes Bewusstsein und einen enormen Grad an Organisation durch das Proletariat. Es war ein Fehler des niedergehenden traditionellen Rätekommunismus, die Bedeutung von Bewusstsein und Organisation für die Revolution teilweise herabzusetzen. Doch revolutionäre Organisation bedeutet gerade nicht Parteien und Gewerkschaften und revolutionäres Bewusstsein heißt nicht Parteimarxismus und Anarchosyndikalismus, sondern proletarische Selbstorganisation im Klassenkampf. Ansätze dazu entwickeln sich schon im reproduktiven Klassenkampf. Dazu zählt die unmittelbare soziale Selbstorganisation im alltäglichen illegalen Klassenkampf, bei wilden Streiks und Betriebsbesetzungen. Bei länger andauernden und große Teile der Klasse umfassenden Kämpfen bilden sich offensichtliche Organe der proletarischen Selbstorganisation wie Streikkomitees, Vollversammlungen, ArbeiterInnenräte usw. Wenn diese tendenziell das soziale Leben bestimmen und teilweise den Staat entmachten, werden sie wachsend zu Organen der Diktatur des Proletariats.

Es ist logisch, dass der Klassenkampf des Proletariats in relativ stabilen Zeiten überwiegend reproduktiv und sozialreformistisch ist. Aber diese Kämpfe haben wie gesagt unbewusste revolutionäre Tendenzen, die sich unter bestimmten Bedingungen noch weiter radikalisieren können. Proletarische RevolutionärInnen dürfen sich weder sektiererisch vom „reformistischen“ Klassenkampf abwenden, noch dürfen sie sich an ihn und seine Ideologie anpassen, wie das Parteimarxismus und Anarchosyndikalismus tun. Bereits vor der sozialen Revolution, müssen sich proletarische RevolutionärInnen jenseits von Parteimarxismus und Anarchosyndikalismus organisieren und vernetzen. Das ist nichts anderes als die praktische Aufstellung der Alternative: Sozialrevolutionäre Gruppen statt politische Parteien und Gewerkschaften. Sozialrevolutionäre Gruppen sind nicht die Avantgarde des Proletariats, sondern sie verkörpern „nur“ bewusst die instinktiven und un- bzw. Vorbewussten revolutionären Tendenzen des reproduktiven Klassenkampfes. Sie können nur eine Minderheit des Proletariats erfassen, denn wäre das Proletariat bereits mehrheitlich revolutionär, würde es sich nicht in kleinen Gruppen organisieren, sondern in revolutionären Massenorganisationen, und würde vor allen Dingen die Revolution machen. Sozialrevolutionäre Subjektivität in nicht revolutionären Zeiten heißt also, es aushalten zu können, sich in einer extremen Minderheitenposition zu befinden.

Objektive Bedingungen sozialrevolutionärer Subjektivität

Soziale Revolution heißt nichts anderes, dass die revolutionäre Subjektivität des Proletariats bereits so groß ist, dass es seine soziale Befreiung versucht. Wann dies geschieht, und ob dieser soziale Befreiungsversuch erfolgreich ist, hängt auch von objektiven Bedingungen ab. Aber die sozialrevolutionäre Subjektivität des Proletariats ist selbst eine objektive Voraussetzung der revolutionären Selbstaufhebung des Proletariats. Nur, ProletarierInnen, die nicht länger Manövriermasse von Kapital und Staat sein wollen, und intensiv ihrer eigenen sozialen Befreiung entgegenfiebern, die auch unter den schlechtesten Bedingungen bereit sind zu kämpfen, besitzen die revolutionäre Subjektivität, ohne die keine Revolution denkbar ist. Revolutionäre Subjektivität kann nicht „realpolitisch“ sein, sondern nur der reale Bruch mit der Politik. Sie verbeugt sich nicht vor „ökonomischen Gesetzmäßigkeiten“ der kapitalistischen Produktion, sondern strebt danach, sie außer Kraft zu setzen. Sie schätzt nicht „realistisch“ ihre eigene Kraft ein, sondern ist größenwahnsinnig davon überzeugt, die Welt aus den Angeln heben zu können. Denn Realpolitik, ökonomische Rationalität, und die Anerkennung der bescheidenen Nischenexistenz sind Waffen des Kapitals gegen das Proletariat. Das revolutionäre Proletariat ist antipolitisch, antikapitalistisch und größenwahnsinnig. Und es hat den Mut zur möglichen Niederlage. Nur so kann es vielleicht irgendwann einmal siegen.

Denn die soziale Revolution bricht nicht unbedingt dort aus, wo die besten Bedingungen für den Sieg herrschen, sondern dort wo die Widersprüche am größten sind. Beispiel: Russische Revolution. Dort gab es ein sehr revolutionäres Proletariat, das aber die Minderheit der Bevölkerung stellte und noch nicht sozial und psychologisch vom BäuerInnentum emanzipiert war. Ein solches Proletariat konnte sich noch nicht revolutionär aufheben. Aber sein größenwahnsinniger Versuch, am stärksten verkörpert im Kronstädter Aufstand gegen den bolschewistischen Staatskapitalismus, ist noch heute ein Musterbeispiel für revolutionäre Subjektivität. Wer nicht bereit ist, unter schlechten Bedingungen zu kämpfen, wird auch unter besseren Bedingungen niemals siegen!

Revolutionär ist eine Situation dann, wenn das Proletariat nicht mehr so leben kann und will wie bisher und die herrschende kapitalistische Klasse (KapitalistInnen, ManagerInnen, BerufspolitikerInnen, hohe Beamte und die Spitzen der Gewerkschaftsbürokratie) nicht mehr so herrschen kann, wie bisher.

Objektive Voraussetzungen der revolutionären Situation sind die rasche Zunahme der absoluten (Reallohnsenkung und Zunahme der Massenarbeitslosigkeit) oder relativen (die Profite wachsen wesentlich stärker als die Löhne) Verelendung des Proletariats. Auch sozialpsychologische Momente spielen eine größere Rolle. Das französische Proletariat wird zum Beispiel wesentlich schneller und massiver aktiv als das deutsche.

Nicht unbedingt notwendig ist eine ökonomische Krise. Die große internationale Streikwelle von 1968-1974, die auch starke revolutionäre Tendenzen hatte, und in der die proletarische Selbstorganisation in Frankreich und in Italien embryonal die Diktatur des Proletariats annahm, fand zum Beispiel am Ende des Nachkriegsaufschwungs und am Vorabend der Weltwirtschaftskrise von 1974/75 statt. Indem die proletarische Militanz die Profitabilität der Produktion gefährdete, war sie sogar eine Ursache dieser Krise. Diese internationale Streikwelle von 1968 bis 1974 war der massive Versuch des Proletariats, die relative Verelendung zu beenden. Doch alle Teilsiege waren in der Wirklichkeit Teilniederlagen, weil der Klassenkampf nicht in der revolutionären Selbstaufhebung des Proletariats mündete. Die neoliberale Offensive des Kapitals war die Antwort auf die „Teilsiege“ bzw. Teilniederlagen des Proletariats.

In Deutschland stiegen im letzten Aufschwung vor der Weltwirtschaftskrise von 2004 bis Anfang 2008 die Preise stärker als die Löhne, die Reallöhne sanken also, eine absolute Verelendung des Proletariats während eines Aufschwungs! Diese Tatsache führte zu einem Anwachsen des Klassenkampfes in Deutschland.

Nicht jede Krise führt zum Anwachsen des Klassenkampfes. Besonders nach schweren vorherigen Niederlagen, kann die nächste Wirtschaftskrise deprimierend auf Teile des Proletariats wirken und sie mehr oder weniger hilflos den kapitalistischen Krisenlösungsstrategien, wozu unter anderem der imperialistische Krieg gehört, ausliefern.

Dazu zwei Beispiele: Die Welthandelskrise von 1847 mündete in eine Reihe von Revolutionen in Europa (unter anderem in Deutschland, Italien, Frankreich, Polen und Ungarn), welche in Niederlagen endeten, weil die wichtigste objektive Voraussetzung für einen Sieg des Proletariats fehlte, nämlich den, dass die LohnarbeiterInnen bereits die Mehrheit der Bevölkerung stellen. Während der Weltwirtschaftskrise von 1857/58 hofften Marx und Engels vergeblich auf die Weltrevolution, denn die vorhergehenden Niederlagen steckten dem europäischen Proletariat noch zu stark in den Knochen.

Die Krise von 1913 mündete in den 1. Weltkrieg, der in der revolutionären Nachkriegskrise mündete, die in Deutschland von 1918 bis 1923 dauerte und in einer Niederlage für das Proletariat endete. Die Weltwirtschaftskrise von 1929 ebnete den Nazis als mörderischsten und konsequentesten kapitalistischen KrisenlöserInnen den Weg. Die von Ruin bedrohten kleinbürgerlichen Massen liefen im Interesse der Bourgeoisie ihren antisemitischen, antikommunistischen und imperialistischen Amok. SPD und KPD, die wesentlich die Niederlagen des revolutionären Proletariats zwischen 1918 und 1923 organisierten, organisierten auch die kampflose Niederlage von 1933. Die Niederlagen von 1918 bis 1923 ebneten den Nazis den Weg.

In den USA dagegen erlebte der Klassenkampf in Folge der Weltwirtschaftskrise einen neuen Aufschwung, mit vielen wilden Streiks. Der Gewerkschaftsbund CIO wurde gegründet um die proletarische Selbstorganisation und Militanz in einer bürokratischen Zwangsjacke zu bändigen.

Die objektiven Bedingungen einer revolutionären Situation können also sowohl in Aufschwung und Krise reifen, und nicht jede Krise mündet automatisch in einer Verschärfung des Klassenkampfes. Genauso widersprüchlich ist es mit den objektiven technischen Bedingungen der sozialen Revolution. Der berühmte Entwicklungsstand der Produktivkräfte, um den die MarxistInnen so viel Aufhebens machten und machen und oft viel zu technokratisch und dogmatisch sehen. Sicher lassen sich mit Computern besser eine klassenlose Gesellschaft gestalten als mit Hammer und Sichel. Gleichzeitig führt die kapitalistische Produktivkraftentwicklung zu einer Verschärfung der ökologischen Krise, die zwar einerseits die Widersprüche des Kapitalismus verschärft, und somit objektiv zur Reifung einer revolutionären Situation beiträgt, gleichzeitig aber die Lebensbedingungen für eine mögliche klassenlose Gesellschaft verschlechtern.

Die zunehmende kapitalistische Globalisierung der Produktion und der Märkte ist natürlich ein sozialreaktionärer Prozess, aber gleichzeitig begünstigt er auch die Globalisierung des proletarischen Widerstandes. So führte die weltweite Nahrungsmittelkrise 2007/2008 zu weltweiten Hungerrevolten in über 40 Ländern.

Die soziale Weltrevolution –mögliche Übergangsperiode zwischen Kapitalismus
und klassenloser Gesellschaft

Die soziale Revolution mag relativ spontan und instinktiv beginnen, siegen kann sie nur als bewusst organisierter Akt. Die potenziell revolutionären Massenorganisationen des Proletariats, die Organe der proletarischen Selbstorganisation, und der Diktatur des Proletariats, können sich nur in der Revolution entwickeln. Das Problem der spontan und instinktiv entstandenen potenziell revolutionären Massenorganisationen war in den vergangenen revolutionären Situationen, dass sie nicht zu tatsächlichen bewussten Organen der Revolution wurden. So lösten sich in der Novemberrevolution von 1918 die deutschen ArbeiterInnenräte zu Gunsten einer parlamentarischen Republik selbst auf. Deshalb sind die in vorrevolutionärer Zeit entstandenen sozialrevolutionären Gruppen von proletarischen Minderheiten umso wichtiger. Die sozialrevolutionären Kleingruppen müssen jetzt mit den revolutionären Massenorganisationen verschmelzen, oder anders formuliert, die sozialrevolutionären Kleingruppen müssen sich in der sozialen Revolution tendenziell in den revolutionären Massenorganisationen auflösen. In den revolutionären Massenorganisationen muss sich der Klasseninstinkt mit der materialistisch-dialektischen Analyse zum revolutionären Massenbewusstsein verschmelzen, was die geistige Reflektion des revolutionären Seins ist.

Die soziale Revolution ist nichts anderes, als die Zerschlagung des Staates und die Aufhebung der kapitalistischen Warenproduktion durch die Organe der proletarischen Selbstorganisation beziehungsweise der Diktatur des Proletariats. Doch ohne Staat und Kapital gibt es auch kein Proletariat mehr. Die Diktatur des Proletariats geht in die freie Assoziation freier ProduzentInnen über.

Weltrevolution heißt nicht, dass der Übergang vom Kapitalismus zur klassenlosen Gesellschaft weltweit zum gleichen Zeitpunkt erfolgen kann. Das ist schon deshalb unmöglich, weil die revolutionären Massenorganisationen in bestimmten Gebieten nicht bei der Zerschlagung des Staates und Überwindung der Ware-Geld-Beziehung solange warten können, bis das Proletariat weltweit so weit ist. Nein, irgendwann ist in einer revolutionären Situation, die sich in einem bestimmten Gebiet oder mehreren Gebieten herausentwickelt hat, der Zeitpunkt erreicht, wo entweder die kapitalistische Konterrevolution die Diktatur des Proletariats zerschlägt, oder die Diktatur des Proletariats den Staat zerschlagt und die Ware-Geld-Beziehung aufhebt, also in eine Assoziation freier ProduzentInnen übergeht. Das zeitweilige Bestehen von isolierten klassenlosen Gesellschaften bei gleichzeitiger Existenz des Kapitalismus in anderen Gebieten ist also unvermeidlich. Aber ein solcher Zustand ist unerträglich und muss zugunsten einer globalen klassenlosen Gesellschaft aufgehoben werden. Die vorhergehende kapitalistische Globalisierung der Produktion und der Märkte begünstigt aber wie gesagt eine mögliche siegreiche Weltrevolution.
Die isolierte klassenlose Gesellschaft kann keinen Handel mit dem Kapitalismus betreiben. Sie muss sich ganz auf die materielle Solidarität der ArbeiterInnen innerhalb des Kapitalismus verlassen, so wie sie ihrerseits die revolutionären Klassenkämpfe der ArbeiterInnen im Kapitalismus mit Rat und Tat unterstützen muss. Wirtschaftsembargos und militärische Interventionen müssen von den isolierten klassenlosen Gesellschaften bis zum möglichen Sieg der Weltrevolution überstanden und überlebt werden.

Die kapitalistische Globalisierung beruht auf dem Nationalstaat – und kann von den wenigen, kleinbürgerlichen GlobalisierungskritikerInnen, die sich oft ebenfalls nicht geistig von Kapital und Staat befreien können, nicht aufgehoben werden. RevolutionärInnen stellen diesem eine wirkliche Globalisierung, durch die revolutionäre Zerschlagung der Nationalstaaten, entgegen!

Die klassenlose Gesellschaft muss die von der kapitalistischen Produktionsweise verursachte ökologische Krise durch ausschließlich erneuerbare Energiegewinnung und die, Einschränkung des Individualverkehrs, bei Ausbau des kollektiven Nahverkehrs lösen. Klassenlose Gesellschaft heißt auch die Zerschlagung des Patriarchats durch Aufhebung der bürgerlichen Kleinfamilie und weitgehende Vergesellschaftung die biosozialen Reproduktion der Menschheit, sprich eine Aufhebung der jetzt noch vorwiegend weiblichen „Hausarbeit“ durch Kollektivierung des Zusammenlebens und Aufhebung der Frauenunterdrückung.

  1. Johnny Crash
    11. Mai 2012, 17:20 | #1

    1.
    Mal kurz was zum Begriffsverständnis: Klassenbewusstsein ist die Erkenntnis des Proletariers über seine eigene beschissene Lage im Kapitalismus aus der weder die demokratische Herrschaft noch sonst irgendwer raus helfen kann, sondern die durch einen revolutionären Umsturz zu überwinden ist. Ich denke, da kannst du mir ja auch zustimmen.

    Ist das der Fall, dann musst du aber auch einsehen, dass es eben keine „objektiven Bedingungen“ für das Klassenbewusstsein gibt: Du sagst ja selbst, das die Leute ihre miese Lage genauso gut auch auf Ausländer oder gierige Banker zurückführen könn(t)en. („Gelenkt“ finde ich da übrigens auch nicht so passend, dass klingt so als ob sie das nicht aus freiem Willen tun würden, aber genau das tun sie ja.)

    2.
    Die Aufs und Abs im Kapitalismus haben dann nämlich auch erst recht nichts mit dem Klassenbewusstsein zu tun. Mal abgesehen davon, dass Zeiten des „Aufschwungs“ immer auf Kosten der Proleten gehen (Man denke grade nur mal dran, wie die südlichen europäischen Länder ihren Staatshaushalt sanieren und für wirtschaftlichen Aufschwung sorgen wollen um das Vertrauen des Finanzkapitals wieder zu gewinnen: Durch Lohnsenkung und Streichung der „Sozial“ausgaben.), werden Leute, die in der Krise „radikalisiert“ werden, in der Regel kein Klassenbewusstsein entwickeln, sondern sich bloß den alten Zustand zurückwünschen.

  2. Nelke
    11. Mai 2012, 08:14 | #2

    Die Entwicklung von Klassenbewusstsein ist sowohl von objektiven als auch von subjektiven Bedingungen abhängig.

    Zum Beispiel ist während der Zeit eines kapitalistischen Aufschwunges mit Vollbeschäftigung und relativ hohen Löhnen auch weniger objektiver Grund zur Unzufriedenheit da, als in einem Kapitalismus mit absolut niedrigen Löhnen und Dauerarbeitslosigkeit.

    Aber wie der einzelne Prolet und die einzelne Proletarierin mit dem Elend umgeht, ist ein subjektiver Moment, welcher auch von sozialpsychologischen Mechanismen geprägt ist. Die Unzufriedenheit kann auf AusländerInnen, geldgierige Banken usw. gelenkt werden.

    In nichtrevolutionären Zeiten bilden revolutionäre ProletarierInnen eine Minderheit. Disskusionen mit ihren KollegInnen können dabei helfen, die letzteren zu radikalisieren. Auf das Wort „Agitation“ ist aber eindeutig zu verzichten. Das ist schlechter Politchargon von ML-Sekten, auf die das Proletariat absolut verzichten kann.

  3. Johnny Crash
    10. Mai 2012, 19:48 | #3

    Im Prinzip ein guter Aufsatz, es gibt allerdings ein paar mehr oder weniger kleine Dinge, die ich nicht so unterschreiben würde. Aus Zeitgründen gerade mal einen davon:

    „Objektive Voraussetzungen der revolutionären Situation sind die rasche Zunahme der absoluten (Reallohnsenkung und Zunahme der Massenarbeitslosigkeit) oder relativen (die Profite wachsen wesentlich stärker als die Löhne) Verelendung des Proletariats.“

    Es gibt überhaupt keine „objektiven Bedingungen“ dafür, dass die Proletarier Klassenbewusstsein entwickeln. Deren Bewusstsein ist weder von vom Verhalten ihres Chefs, noch von den Börsenkursen abhängig. Sondern es ist davon abhängig, was die Leute von den Dingen halten mit denen sie konfrontiert werden.
    Wenn ein Prolet z.B. gefeuert wird, dann führt das überhaupt nicht zwangsläufig zu revolutionärem Bewusstsein (in dem Fall wäre ja die richtige Einsicht: „Aha, mein Betrieb entlässt mich um wieder produktiv zu sein. Ich bin eine Kostenfaktor für das Unternehmen, der sich jetzt nicht mehr lohnt. Deshalb wurde ich entlassen.“), der kann auch genauso gut falsche Schlüsse daraus ziehen, z.B.: „Ich wurde entlassen, weil die Manager ihren Job nicht richtig gemacht haben!“ oder „Die Ausländer haben meinen Job geklaut!“, usw. In den Fällen zieht der eben andere Konsequenzen aus seiner Entlassung, wird zum Beispiel Faschist oder er wendet sich an den Staat, der das wieder richten soll.
    Es gibt keinen notwendigen Zusammenhang zwischen mieser Lage und Klassenbewusstsein, es kommt immer darauf an, was man sich daraus für ein Urteil bildet.
    Genauso verkehrt ist ja übrigens das Denken, die Krise würde zu revolutionärem Bewusstsein führen: Entweder da passiert dann genau das Gleiche wie oben beschrieben; oder man wird wirklich politisert – aber wer in der Krise politisiert wird, der wird in der Regel nicht so politisert, dass er den Kapitalismus – zu dem ja die Krisen notwendigerweise dazugehören – abschaffen will, sondern der wünscht sich dann einfach den alten „normalen“ kapitalistischen Zustand wieder zurück – und der ist ja nun wirklich kein Grund zum Feiern.
    Deshalb kommt revolutionäres Bewusstsein (leider) auch nur über einen einzigen Weg zustande: Agitation, den Leuten erklären wo wirklich die Schäden herkommen, die sie real erfahren.

    Kommunistische Grüße
    P.

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