Home > antifaschismus, demokratie kritik, klassenkampf, linke, nazis, soziale befreiung > Rassismus bekämpfen ohne Antifa-Ideologie!

Rassismus bekämpfen ohne Antifa-Ideologie!


Die Schlacht in der Cable Street im Londoner Eastend am 4. Oktober 1936

Schon bevor das Neonazitrio in den Nationalsozialistischen Untergrund ging, war es unter relativ guter demokratischer Kontrolle. Begonnen hatten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe ihre faschistische Aktivität im Thüringer Heimatschutz (THS), welcher von deutschen GeheimdienstlerInnen an der langen Leine geführt wurde. Nach Berichten der Berliner Zeitung und der Frankfurter Rundschau vom 16. Januar 2012 hatten deutsche Inlandsgeheimdienste mindestens fünf V-Leute und Informanten im THS. Während die Neonazis die schöne thüringische Heimat schützten, sorgten die Geheimdienste dafür, dass die Interessen der herrschenden Demokratie innerhalb der Neonaziszene gewahrt blieben.

Trotz vieler Unklarheiten eines steht jetzt schon fest: All die Fakten zeigen klar, dass der demokratische Staat nicht auf dem rechten Auge blind ist. Er sieht genau hin, wenn er faschistische Strukturen mitfinanziert und mitorganisiert. Der Staat hält sich ein paar Hausnazis. Selbstverständlich versuchen die regierenden demokratischen PolitikerInnen und hohe BeamtInnen die Tatsache der organisierten Hausnazihaltung zu vertuschen und zu verschleiern. Es werden nur einige „Pannen“ und „Kommunikationsprobleme“ als Ursachen genannt. Nein, der Fakt, dass Teile des Staatsapparates konstruktiv mit Nazis zusammengearbeitet haben, darf natürlich nicht zugegeben werden. Deshalb verkündete der Generalbundesanwalt Harald Range am 17. November 2011 zu seiner Amtseinführung auch zwei Dinge. Erstens, dass er keine Zeit zur Einarbeitung in diesen Fall brauche und dass er „keine Anhaltspunkte“ dafür sehe, „dass der Verfassungsschutz mit Mitgliedern der Zwickauer Zelle zusammengearbeitet“ habe.

Genau so wenig darf über die kapitalistische Funktion der Nazis nachgedacht und geredet werden. Noch viel weniger dürfen proletarisierte Menschen praktische antikapitalistische Konsequenzen aus dieser konstruktiven Zusammenarbeit von Teilen des demokratischen Staatsapparates mit den Nazis ziehen. Um die ganze Geschichte für große Teile des Proletariats unverständlich zu lassen, wird sie mit einer übel riechenden Moralbrühe übergossen. Diese Moralbrühe ist der regierungsoffizielle Antifaschismus des demokratischen Staates. Dieser hat selbstverständlich nichts mit den Nazis zu tun, weil die letzteren das „unerklärliche Böse“ darstellen und der erstgenannte doch alle „guten Werte der Menschheit“ verkörpert: Menschenrechte, Humanismus, Zivilgesellschaft und Demokratie.

Aber um solche unschönen Fakten zu verharmlosen und zu verkleistern ist halt der staatsoffizielle Antifaschismus da. Fakt ist auch, dass die regierenden DemokratInnen, die eben manchmal auch mit Nazis paktieren, hin und wieder auch Unterstützung von nicht gerade kleinen Teilen der Antifa als kleinbürgerlich-politischer Straßenbewegung bekommen, die in breiten Bündnissen mit demokratischen Politbonzen zusammen „gegen Nazis“ kämpfen wollen. Wir sind der Meinung, dass der Kampf gegen Nazis dem Klassenkampf gegen Kapital und Staat untergeordnet werden sollte und nicht anders herum.

Trotz der Erfahrung, dass der Staatsapparat manchmal auch gegen die antifaschistische Straßenbewegung repressiv vorgeht, passen sich große Teile der kleinbürgerlichen AntifaschistInnen lieber an die herrschende Demokratie an. Bei großen Teilen der Antifa ist die Demokratie keine Diktatur des Kapitals, sondern ein großes und schönes Ideal. Dieser Selbstbetrug großer Teile der antifaschistischen Straßenbewegung macht deren staatliche Instrumentalisierung zu einer relativ einfachen Geschichte. Hin und wieder wird die Antifa aber auch von den regierenden DemokratInnen mit viel Erfolg instrumentalisiert. Das geschah auch in der jüngsten Zeit, wo das Paktieren von Teilen des Staatsapparates mit NaziterroristInnen bekannt wurde. So sagte der oberste Boss des Hamburger Verfassungsschutzes bei einer öffentlichen Veranstaltung in Hamburg-Altona ganz spontan, dass er die Antifa prima finde (siehe junge Welt vom 15. Dezember 2011, S. 4). Gerade solche Geschichten wie die offensichtliche Nazi-Verfassungsschutz-Zusammenarbeit machen viele LinksdemokratInnen zu rasenden VerteidigerInnen des demokratischen Staatstyps. Nicht nur die PolitikerInnen der Linkspartei stellen sich als die besten DemokratInnen und die Repression ihrer rechten Konkurrenz gegen sie als „undemokratisch“ dar. So veranstalteten die StraßenpolitikerInnen der „organisierten Autonomie“ (Nürnberg) im Januar 2012 einen Politrummel, bei der der Verfassungsschutz als Fremdkörper in der Demokratie verleumdet wurde. Oh nein, das haben die Schlapphüte vom Verfassungsschutz wirklich nicht verdient. Denn sie verteidigen die reale Demokratie als eine kapitalistische Staatsform, während die völlig sozialdemokratisierten Nürnberger Autonomen nichts als ihre Illusionen gegen die Wirklichkeit verteidigen.

Viele „radikale“ Antifas – manche durchaus subjektiv ehrlich – geben sich „auch“ antikapitalistisch. Ihre Argumentation, mit Hilfe des Antifaschismus „auch“ den Kapitalismus bekämpfen zu wollen, kommt durch den sehr beliebten Demoslogan zum Ausdruck: „Hinter dem Faschismus steht das Kapital! Bekämpfen wir es international“. Diese Losung ist nur halb richtig, beinhaltet aber die ganze Selbsttäuschung der „radikalen“ Variante des Antifaschismus. Klar, manchmal stand und steht das Kapital auch hinter dem Faschismus, aber nicht selten stand und steht das Kapital auch hinter dem Antifaschismus. Und der Antifaschismus als materiell wirksame Gewalt stand und steht immer auf Seiten des Kapitals! So waren z.B. die faschistische „Volksgemeinschaft“ in Nazi-Deutschland und antifaschistische „Volksfront“ 1936 in Spanien, Frankreich und Chile – politisch-ideologische Mäntelchen, hinter der sich die Klassenherrschaft der Bourgeoisie über und gegen das Proletariat verbarg.

Der bürgerliche Staat ist der ideelle Gesamtkapitalist und als solcher ein Gewaltapparat nach innen und nach außen. Nach außen muss er erfolgreich bei diplomatischen und militärischen Konkurrenzkämpfen um Rohstoffquellen, Absatzmärkte und geostrategische Positionen mit anderen Staaten sein, wenn er Hammer und nicht Amboss sein will. Nach innen muss er große Teile des Proletariats sozialökonomisch integrieren – indem er die Lohnarbeit so mit organisiert, dass die Mehrheit der ArbeiterInnen durch sie einigermaßen überleben kann – und sie ideologisch zu guten StaatsbürgerInnen erziehen. Hauptideologie ist dabei der Nationalismus. Gegen sozialrevolutionäre ArbeiterInnen muss der Staat entweder mit repressiver Toleranz oder mit toleranzloser Repression vorgehen. Auch erfolgreiche Demokratien müssen Kriege und den Klassenkampf von oben gegen das Proletariat führen können.

Auch wenn die Bourgeoisie die Nazis nicht mehr an der Macht haben will, gebraucht sie diese trotzdem noch als SchlägerInnen- und MörderInnenbanden, die aus der „nationalen Opposition“ agieren können. Wer ernsthaft und konsequent gegen Nazis kämpfen will, muss gegen Kapital und Staat kämpfen. Der Kampf gegen Nazis wird dadurch zu einem Teil des antikapitalistischen Kampfes. Wer diesen Schritt geht, bewegt sich vom Antifaschismus weg zu sozialrevolutionären Positionen. Der Bruch mit dem Antifaschismus als Politik und Ideologie ist eine absolute Notwendigkeit, weil dieser nur der linke Flügel der Politik darstellt.

Der demokratische Staat ist zurzeit ein weit gefährlicherer –weil wirksamerer– Feind des klassenkämpferischen Proletariats als die Nazis. SozialrevolutionärInnen orientieren auf seine Zerschlagung bei der Überwindung des Kapitalismus. Die soziale Revolution ist eine Möglichkeit, die sich aus der Zuspitzung des Klassenkampfes ergeben kann. Eine Möglichkeit, die schon jetzt gut vorbereitet sein will, wenn sie irgendwann mal Realität werden soll. Trotz des revoluzzerhaften Gehabes von Teilen der Antifa ist diese als politische Straßenbewegung, welche in den Betrieben so gut wie nicht verankert ist, objektiv nicht dazu in der Lage, die soziale Revolution vorzubereiten. Selbstverständlich wird die Antifa auch nicht den subjektiven Anforderungen an eine revolutionäre Kraft gerecht. Behauptungen aus den Tiefen der Antifa, dass der Verfassungsschutz „undemokratisch“ sei und deshalb von den demokratischen Politbonzen aufgelöst werden müsse, belegen dies deutlich. Denn der Verfassungsschutz ist Teil des Schildes und Schwertes des bürgerlichen Staates gegen das Proletariat. Nur die soziale Revolution kann die deutschen Geheimdienste und die Naziorganisationen zerschlagen. Demokratieverherrlichendes Gelaber und reformistische Forderungen an den Staat – also das Alltagsgeschäft der Antifa – hemmen die Radikalisierung des Klassenkampfes und wirken deshalb grundsätzlich antirevolutionär. Während sich der Kapitalismus mittels Staatsapparaten und Nazihorden immer besser gegen das Proletariat bewaffnet, nimmt die Antifa an der ideologischen Einlullung und Entwaffnung des Proletariats teil.

Kapitalismus kann nicht wegdemonstriert werden. Der Hauptkampfplatz gegen den Kapitalismus ist nicht die Straße, sondern da wo die Macht des Kapitals und des Staates produziert wird: in den Betrieben, Büros, Laboren, Schulen und Universitäten. Nur dort kann der Kapitalismus auch zu Fall gebracht werden. Durch Klassenkampf. Dieser Klassenkampf stellt sich meist reproduktive Ziele: Mehr Lohn, kürzere Arbeitszeiten und Erhalt der Produktionsstandorte. Doch die ArbeiterInnen können sich in diesen reproduktiven Klassenkämpfen radikalisieren – zu einem revolutionärem Sein und Bewusstsein. So wie in der deutschen Nachkriegskrise (1918-1923), wo es eine revolutionäre Schicht von ArbeiterInnen gab, die sowohl von dem linken Flügel der bürgerlichen Politik (Sozialdemokratie, Partei-„Kommunismus“ und „Anarcho“-Syndikalismus) als auch von deren rechten Flügel (Konservative und Nazis) vernichtet oder integriert wurden.

Mensch muss keine AntifaschistIn sein um Nazis zu bekämpfen, aber mensch muss Anti-DemokratIn sein, um gegen Kapitalismus zu kämpfen!

  1. Bisher keine Kommentare
  1. Bisher keine Trackbacks
Du musst Dich anmelden um einen Kommentar zu schreiben