Neue Broschüre: Globale Klassenkämpfe (2013-2015)

Unsere neue Broschüre: „Globale Klassenkämpfe (2013-2015)“ (ca. 124 Seiten) von Soziale Befreiung (Hg.) ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.

Inhalt

Einleitung
I. Der politische Klassenkampf von oben
1. Die globale Vermehrung der Nationalkapitale
2. Kapitalistische Wirtschafts- und Sozialpolitik als Klassenkampf von oben
3. Staatliche Repression und Gewerkschaften

II. Kämpfe der doppelt freien Lohnabhängigen
1. Textilindustrie
2. Bergbau
3. Metallindustrie
4. Personen- und Güterverkehr (Logistik)
5. Landwirtschaft und Lebensmittelindustriein
6. Gaststätten und Hotels
7. Einzel- und Versandhandel
8. Pflege und Gesundheitswesen
9. Bildung, Kinderbetreuung und Wissenschaft
10. Reinigungsgewerbe
11. Öffentlicher Dienst
12. Branchenübergreifende Massenstreiks und proletarische Straßenbewegungen

III. Klassenkämpfe des negativ freien Proletariats
1. MigrantInnen
2. Inhaftierte

1. Textilindustrie

Eine der Reaktionen des westlichen Kapitals auf die strukturelle Profitproduktionskrise seit Beginn der 1970er Jahre war und ist die Auslagerung arbeitsintensiver Produktionsprozesse in so genannte Niedriglohnländer. Dazu gehört auch die Textilindustrie, die seit den 1970er Jahren verstärkt nach Asien ausgegliedert wird. Da Textilien mit zu den wichtigsten Konsumgütern des Proletariats gehören, ist die billige Produktion von Textilien in Asien auch wichtig, um die Lohnkosten und die Ausgaben des Sozialstaates im Westen niedrig zu halten, wohin die meisten der in Asien hergestellten Textilien exportiert werden.
Doch mit der verstärkten Verlagerung der Textilindustrie nach Asien wuchs dort auch das Textilproletariat an, was sich in Form von Klassenkämpfen gegen die harte Ausbeutung wehrt. Aufgrund der Klassenkämpfe steigen auch die Löhne. Das Textilkapital zieht dann oft weiter in Gebiete, in denen der Lohn niedriger ist, aber auch dort beginnt das Proletariat ab einem bestimmten Punkt für höhere Löhne zu kämpfen. So galt Indonesien bis 2002 als Niedriglohnland, Indien bis 2006 und Vietnam bis 2009.
In der asiatischen Textilindustrie, in der hauptsächlich weibliches Proletariat ausgebeutet wird, werden weltweit mit die härtesten Klassenkämpfe ausgetragen. Wir wollen in diesem Kapitel die Klassenkämpfe in der Textilindustrie in Kambodscha, Bangladesch und Ägypten darstellen. In Kambodscha sind in der Textilindustrie rund 650.000 Menschen tätig, 400.000 von ihnen für internationale Modemarken. Ende Dezember 2013 traten die TextilarbeiterInnen in den Streik. So standen Ende 2013 durch Streiks und Aussperrungen 80 Prozent der Fabriken still und zwei Drittel der ungefähr 650.000 TextilarbeiterInnen waren nicht an ihrem Arbeitsplatz. Zwar erhöhte der kambodschanische Staat als ideeller Gesamtkapitalist Ende 2013 den Mindestmonatslohn in der Textilbranche von 80 auf 95 US-Dollar (70 Euro), doch den TextilarbeiterInnen war das selbstverständlich zu wenig. Ihr Druck sorgte dafür, dass dies auch für die Textilgewerkschaft zu wenig war, sie forderte mindestens 160 Dollar. Die Arbeitsniederlegung mündete in einer machtvollen proletarischen Straßenbewegung. Mehr als 30.000 Lohnabhängige der Textilbranche nahmen an Protestmärschen teil.
Am 27. Dezember 2013 blockierten Tausende TextilarbeiterInnen die Straßen am Arbeitsministerium in der Hauptstadt von Kambodscha, Phnom Penh. Leider konnten die oppositionellen Politbonzen der Nationalen Rettungspartei (CNRP) den Klassenkampf für ihre Politspielchen missbrauchen. Die TextilarbeiterInnen schlossen sich den Kundgebungen der politischen Opposition an, welche den Rücktritt von Regierungschef Hun Sen forderte. Doch durch das Auswechseln der regierenden Charaktermasken ändert sich für das Proletariat nichts Wesentliches. Jede Staatsregierung ist eine strukturelle Klassenfeindin des Weltproletariats. Dass jene von Kambodscha eine besonders blutige ist, bewies sie ausdrucksvoll bei diesem Streik der TextilarbeiterInnen. Nach den Angaben der örtlichen kleinbürgerlichen Menschenrechtsgruppe Licadho kam es bereits Ende Dezember 2013 zu Zusammenstößen zwischen dem Textilproletariat und den Bullen als den offiziellen Hooligans des Staates Kambodscha, als die letzteren die ArbeiterInnen von einer Straße von Phnom Penh vertreiben wollten. Doch die Streikenden ließen sich nicht ohne Gegenwehr von den Bullen vertreiben. Als sie Steine warfen, schossen jedoch die Bullen mit scharfer Munition auf das klassenkämpferische Proletariat und prügelte mit Stöcken auf dieses ein. Sieben Streikende wurden verletzt.
Doch das war „nur“ der Auftakt zu einer blutigen Repression des Staates. Aber der Staat reagierte nicht nur mit der Peitsche, sondern auch mit einem minimalen Zugeständnis. Er erhöhte den monatlichen Mindestlohn in der Textilbranche auf 100 Dollar. Doch das war für die ArbeiterInnen immer noch viel zu wenig. Auch die Ankündigung des Regimes, dass diese Erhöhung bereits im Februar 2014 wirksam werde und nicht wie vorgesehen erst im April 2014, konnte den Streik nicht brechen. Selbst die verschärfte Bullenrepression vermochte es am Anfang nicht, den Kampfeswillen des Textilproletariats zu brechen. Der Staat nahm Ende 2013/Anfang 2014 zehn AktivistInnen der Arbeitsniederlegung fest.
Am 2. Januar 2014 kam es vor einer Textilfabrik, an der einige hundert Streikende und UnterstützerInnen die dortigen ArbeiterInnen dazu aufriefen, sich der Arbeitsniederlegung anzuschließen, zu einem Konflikt mit Soldaten einer Eliteeinheit. Als die Repressionsorgane eine Wasserflasche auf einen am Protest beteiligten Mönch warfen, reagierte die Streikbewegung mit Steinwürfen auf die Soldaten, diese schlugen mit Schlagstöcken und Eisenstangen auf die ArbeiterInnen und ihre UnterstützerInnen ein. Mindestens zwei Verletzte, eine Frau und ein Mönch, mussten sich im Krankenhaus behandeln lassen. Am 3. Januar 2014 schließlich holte das Regime zum blutigen Schlag gegen das Proletariat aus. Die Bullen eröffneten das Feuer auf die Streikenden als Reaktion auf eine Blockade einer wichtigen Straße im Canadia Industriepark am Rande von Phnom Penh. Dabei starben vier Menschen und mehr als 30 wurden schwer verletzt. Auch nach dieser blutigen Repression ging der Staat weiterhin gewaltsam gegen das Textilproletariat vor. Ende Januar 2014 verhinderten die Repressionskräfte in Phnom Penh gewaltsam eine Kundgebung von rund 200 TextilarbeiterInnen und ihren UnterstützerInnen.
Nach diesem Gemetzel endete erst mal der Streik. Doch der proletarische Klassenkampf holte nur eine Atempause, wie auch folgender Artikel von Thomas Berger am 13 Februar 2014 deutlich machte: „Ein Berufungsgericht in Kambodscha hat am Dienstag (11. Februar 2014) die Kautionsanträge von 21 Aktivisten abgelehnt, die in Zusammenhang mit den eskalierenden Protestaktionen der Textilarbeiter vor einem Monat festgenommen worden waren und noch immer in Haft sind. Die Anwälte der betroffenen Gewerkschafter und einfachen Arbeiter wollen nun den Obersten Gerichtshof des südostasiatischen Landes anrufen. Angehörige der Inhaftierten und Vertreter von Gewerkschaftsverbänden und Nichtregierungsorganisationen zeigten sich vor dem Gerichtsgebäude schockiert über die harte Linie des zuständigen Gerichts. (Anmerkung von Nelke: Nein, die braven Gewerkschaftsbonzen und Funktionäre der Nichtregierungsaktionen (NGOs) denken nicht im Traum daran, die Bourgeoisie und ihre Handlanger zu schocken. Sie sind immer nur „schockiert“ über die kapitalistische Diktatur.) Er (der Richter) hatte die Freilassung auf Kaution mit der Begründung abgelehnt, dies könne zu einer ,Störung der öffentlichen Ordnung‘ führen. Die Polizei hinderte rund 200 Menschen daran, das Gericht zu betreten.
Der Kampf um eine Verdoppelung des offiziellen Mindestlohns von bisher 80 auf 160 US-Dollar im Monat, Hintergrund der Streiks und Demonstrationen im Dezember und Januar, hält unterdessen weiter an. Noch in dieser Woche wollen Vertreter der verschiedenen Textilarbeitergewerkschaften über eine mögliche Wiederaufnahme der Streiks beraten. An den jüngsten Arbeitsniederlegungen hatten sich rund zwei Drittel der Beschäftigten beteiligt. Kambodschas Arbeitsminister Ith Sam Heng, der diese Woche seinen Jahresbericht 2013 vorstellte, bezeichnete einen neuen Ausstand derweil als kontraproduktiv. Sein Sprecher Heng Sour schlug in die gleiche Kerbe: Jeder weitere Protest sei ,Zeitverschwendung‘, die Interessenvertreter der Textilarbeiter sollten lieber am Verhandlungstisch nach einer Einigung zum Thema Mindestlohn suchen.
Die Regierung reagiert gereizt auf die neuerlichen Streikdrohungen, weil sie seit Ende vergangenen Jahres gleich von zwei Seiten unter Druck steht. Während die Beschäftigten der Bekleidungsindustrie gegen zu geringe Angebote des Ministeriums für einen lebenswürdigen Mindestlohn auf die Straße gehen, nutzen auch Anhänger der Opposition die Proteste.“ (Thomas Berger, Kambodscha vor neuen Streiks, in: junge Welt vom 13. Februar 2014, S. 7.)
Auch der gnadenlose kapitalistische Klassenkampf von oben ging weiter, der nicht die geringste Rücksicht auf die Gesundheit des Textilproletariats nahm, wie auch folgender Zeitungsartikel von Anfang April 2014 eindrucksvoll veranschaulicht: „In Kambodscha sind mehr als 200 Textilarbeiterinnen an ihrem Arbeitsplatz in Ohnmacht gefallen. Die Betroffenen hätten im Krankenhaus behandelt werden müssen (…), erklärte am Donnerstag (3. April 2014) ein führender Politiker des Bezirks Pur Senchey, wo sie angestellt waren. Grund für die Erkrankung seien vermutlich verdorbenes Essen, schlechte Arbeitsbedingungen und das Versprühen von Insektengift gewesen, erklärte er. Die Arbeiterinnen waren in drei Textilfabriken tätig, in denen unter anderem Kleidung für Puma und Adidas hergestellt wird.“ (Massenohnmacht, in: junge Welt vom 4. April 2014, S. 2.)
Und auch die staatliche Klassenjustiz ging weiterhin hart gegen das Textilproletariat vor: „Vor einem Gericht in Phnom Penh hat am Freitag (25. April 2014) trotz internationaler Proteste der Prozess gegen 23 kambodschanische Aktivisten und Arbeiter der Textilindustrie wegen ihrer Beteiligung an einem Streik begonnen. Vor dem Gerichtsgebäude versammelten sich Hunderte Demonstranten und riefen: ,Befreit die 23!‘ Menschenrechtsgruppen zufolge drohen den Angeklagten, von denen die meisten seit ihrer Festnahme im Januar (2014) inhaftiert sind, bis zu fünf Jahre Gefängnis, vornehmlich wegen ,vorsätzlicher Gewalt‘.“ (Prozess gegen streikende Arbeiter, in: junge Welt vom 26./27. April 2014, S. 7.)
Dieser juristische Klassenkampf von oben sichert den sozialökonomischen ab: Der Staat gibt dem Textilproletariat zu verstehen, dass der Klassenkampf von unten sehr harte Konsequenzen haben kann. So sollen auch wahrhaft mörderische Arbeitsbedingungen von den TextilarbeiterInnen kampflos hingenommen werden. Arbeitsbedingungen wie diese: „Rund 200 Beschäftigte sind am Donnerstagmorgen (31. Juli 2014) in der Textilfabrik Six Plus Industry C. Ltd. in der kambodschanischen Provinz Kadal ohnmächtig geworden. Sie wurden in eine Klinik gebracht (…). Am Samstag zuvor (26. Juli 2014) waren der Gewerkschaft FTU zufolge bereits 160 Arbeiterinnen bei dem Adidas-Zulieferer bewusstlos geworden, nachdem sie sich über ,schlechte Gerüche‘ beschwert hatten, wie die Zeitung The Campodia Daily berichtete. Ähnliche Vorfälle gab es demnach auch in einer Textilfabrik in Phnom Penh. Die FTU vermutet, die Gase seien durch defekte Abflussrohre in die Fabrik gelangt.“ (Krank durch Arbeit, in: junge Welt vom 1. August 2014, S. 2.) Aufgrund solcher Arbeitsbedingungen ging auch der Klassenkampf von unten weiter – wenn auch teilweise gewerkschaftlich weichgespült.
In Globale Klassenkämpfe (2008-2013) schrieben wir über die Arbeitsunfälle in der Textilindustrie von Bangladesch als kapitalistischen Massenmord am Proletariat (S. 33-35). Doch als Reaktion auf diesen mörderischen Klassenkampf von oben entwickelte sich der Klassenkampf von unten, über den wir uns von Wildcat informieren lassen wollen: „Ende 2012 kam es zu mehreren heftigen Fabrikbränden, bei denen viele ArbeiterInnen starben. Im April 2013 brach das Fabrikgebäude auf dem Rana Plaza ein. Bei den beiden größten Vorfällen, dem Feuer in einer Fabrik in Tazreen und dem Einsturz von Rana Plaza, starben zusammen mehr als 1200 ArbeiterInnen. Bei den rasch organisierten Rettungsmaßnahmen nach diesen Katastrophen, die vor allem von den ArbeiterInnen des Industriegebiets getragen wurden, zeigte sich immer wieder ihre starke Solidarität und Fähigkeit zur Selbstorganisation.
Direkt danach ging eine neue Welle von Streiks und Riots los. Als die Regierung als Reaktion darauf im September 2013 eine Überprüfung des Mindestlohns ankündigte, goss sie damit erst recht Öl ins Feuer. Als einige Arbeiterinnen nicht frei bekamen, um auf eine Demo zu gehen, explodierte die Situation erneut. Ein weiterer Grund war der Umgang mit den Opfern: Statt vier Monatslöhnen, wie sie die Überlebenden von Tazreen bekommen hatten, wollte die Textil-Arbeitgebervereinigung den Opfern von Rana Plaza nur einen Monatslohn Entschädigung zahlen. Die massenhaften Streiks erwirkten die Erhöhung auf vier Monatslöhne –mittlerweile aber klagen die Opfer auf eine höhere Entschädigung.
Ergebnis der Mindestlohnverhandlungen war eine nominelle Erhöhung über alle Entgeltstufen hinweg, so dass der Lohn in der niedrigsten Stufe jetzt 5300 Taka (67 Euro) beträgt. Allerdings beträgt der eigentliche Grundlohn nur 3000 Taka, der Rest sind Zuschüsse für Miete, Ärzte, Essen, die in dem Abschluss festgeschrieben wurden. Für die Zukunft wurde eine Erhöhung des Grundlohns um fünf Prozent beschlossen, was deutlich unter der Inflationsrate der letzten Monate liegt, die zwischen sieben und zwölf Prozent betrug.
Die ArbeiterInnen hatten einen Grundlohn von 8114 Taka gefordert. Als sie von dem Abschluss hörten, gingen sie wieder auf die Straße und erhöhten ihre Forderungen auf 8300 Taka. Hunderte von Fabriken wurden bestreikt, es kam zu massiven Straßenschlachten, gegen die das Militär eingesetzt wurde.
Auch die Justiz sah sich zum Handeln gezwungen und leitete Verfahren gegen die verantwortlichen Manager und den Namensgeber Rana ein, einen lokalen Politiker der Regierungspartei mit guten Kontakten zur lokalen Mafia. Das bereits eingestellte Verfahren gegen Delwar Hossain wurde wieder aufgenommen. Er ist Besitzer der Firma Tuba Group, der u.a. die Fabrik in Tazreen gehörte, wo 112 ArbeiterInnen gestorben waren. Nach der Festnahme von Hossain im März 2014 hatte die Firma aufgehört, 1600 ArbeiterInnen aus fünf Fabriken Löhne zu zahlen. Diese traten nach dem 10. Juni (2014) in Streik und besetzten drei Fabriken. Als sie so nichts erreichten, besetzten sie zum Zuckerfest Ende Juli ein Büro der Textil-Arbeitgebervereinigung und das Tuba-Hauptquartier für mehrere Tage und schlossen dort jeweils Tuba-Manager ein. Gleichzeitig traten sie in einen Hungerstreik, der elf Tage dauerte und 86 Arbeiter ins Krankenhaus brachte. Ihre Forderungen waren die Bezahlung der ausstehenden Löhne, Urlaubsgeld für das Zuckerfest, sofortige volle Entschädigung der Tazreen-Opfer, Beschlagnahme der Kaution für Hossain (er war am 5. August auf Kaution freigekommen), medizinische Versorgung für die im Hungerstreik Erkrankten, sowie keine Schließung von Tuba-Fabriken.
Tatsächlich kam es nach der Freilassung von Hossain auf Kaution zu einer teilweisen Auszahlung ausstehender Löhne, aber einige Fabriken wurden geschlossen, um die Auszahlung der Löhne zu vermeiden.“ (Bangladesch: Kämpfe der Textilarbeiterinnen, a.a.O., S. 44/45.)
Das was sich das Textil-Proletariat von Bangladesch auf dem Papier erkämpfte, hält ihm die Bourgeoisie in der Wirklichkeit vor, wie folgende kurze Zeitungsmeldung vom 24. Januar 2014 deutlich macht: „In Bangladesch müssen offenbar immer noch zahlreiche Näherinnen auf dem Ende 2013 erkämpften Mindestlohn warten. In der Hauptstadt Dhaka und Umgebung wurde er in rund 60 Prozent der Betriebe gezahlt, teilte der nationale Verband der Textilhersteller und -exporteure am Donnerstag (23. Januar 2014) mit. In der Hafenstadt Chittagong zahlten nur fünf Prozent der Fabriken den höheren Lohn, erklärte der Verband. Nach Angaben des Gewerkschaftschefs Babul Akter geben sogar nur 20 Prozent der Textilfabriken ihren Mitarbeitern den neuen Mindestlohn.“ (Fabriken zahlen Mindestlohn nicht, in: junge Welt vom 24. Januar 2014, S. 6.)
In Ägypten gehören die TextilarbeiterInnen seit Jahren zur sozialen Avantgarde des Klassenkampfes. Den gesamtproletarischen Klassenkampf während des „arabischen Frühlings“ in diesem Land haben wir bereits in unserer Broschüre Globale Klassenkämpfe (2008-2013) beschrieben (S. 96-102). Auch 2014 ging der Klassenkampf des Proletariats in Ägypten weiter, wobei die TextilarbeiterInnen weiterhin vorangingen. Am 10. Februar 2014 legten rund 20 000 Lohnabhängige einer Textilfabrik der staatseigenen Egypt Spinnig and Weaving Company in Mahalla Al Kubra im Nildelta die Arbeit nieder. Sie forderten die Zahlung ausstehender Provisionen und Gewinnbeteiligungen, die Umsetzung des gesetzlichen Mindestlohnes für den staatlichen Sektor von 1200 ägyptischen Pfund (rund 120 Euro) sowie die Absetzung des Chefs der staatseigenen Textile Holding Company, Fuad Abdel Alleems.
Der Staat verweigerte dem Textilproletariat die Gewinnbeteiligung mit dem Argument, dass es schlicht keine Gewinne gebe, an denen es beteiligt werden könne. Für den finanziellen Niedergang machten die streikenden ArbeiterInnen besonders Fuad Abdel Alleems verantwortlich, dessen Absetzung sie ja auch forderten. Der Klassenkampf bewegte sich also noch völlig im reproduktiven Rahmen. Es wurde sich an einer leitenden Charaktermaske des Staatskapitals abreagiert und eine Gewinnbeteiligung gefordert, und (noch?) nicht für ein Ende des kapitalistischen Geschäftemachens auf Kosten des Proletariats gekämpft. Doch bevor der reproduktive Klassenkampf nicht nur in Ägypten in die mögliche revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats übergeht, muss er notwendigerweise noch stark an Quantität (Ausdehnung und Kraft des Klassenkampfes) und Qualität (Klassenbewusstsein) zunehmen.
Auch der Klassenkampf im Frühjahr 2014 dehnte sich aus: Die Belegschaften von 12 weiteren staatlichen Textilfabriken beteiligten sich an der Arbeitsniederlegung, womit sich insgesamt 450 000 ArbeiterInnen im Ausstand befanden. Nach zwei Wochen Streik kam es allerdings zu einem Kompromiss mit der Regierung, der eine vorübergehende Aussetzung des Klassenkampfes brachte – allerdings war dies mit der Drohung verbunden ihn wieder aufzunehmen, sollte der Staat innerhalb von 60 Tagen nicht die Forderungen des Textilproletariats erfüllen.

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