Neue Broschüre: Die Krise der biosozialen Reproduktion

28. November 2022

Unsere neue Broschüre „Die Krise der biosozialen Reproduktion“ (ca. 138 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

Allgemeine Betrachtung über die menschliche biosoziale Reproduktion

  1. Der menschliche Stoffwechsel mit der Natur
  2. Produktions- und biosoziale Reproduktionsverhältnisse
  3. Gesundheit
  4. Glück

Kapitalistische Warenproduktion, Lohnarbeit und Staat
I. Warenproduktion

  1. Das Wesen der kapitalistischen Warenproduktion
  2. Die kapitalistische Warenproduktion als permanente biosoziale Reproduktionskrise
    II. Lohnarbeit und „unproduktives“ Elend
  3. Lohnarbeit als produktives Elend
  4. Lohnarbeit als dialektischer Widerspruch
  5. Biosoziale Reproduktionstätigkeiten als Lohnarbeit
  6. Der reproduktive Klassenkampf
  7. Das „unproduktive“ Elend des Proletariats
  8. Kritik des bürgerlichen „Armut“-Begriffes
    III. Staat
  9. Der politische Gewaltapparat der Kapitalvermehrung
  10. Die Integration der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung in den Staat
  11. Der Sozialstaat als politische Elendsverwaltung
  12. Staatliches Gewaltmonopol und biosoziale Reproduktion
  13. Die kapitalistische Internationale und die biosoziale Reproduktion

Privathaushalte, Geschlechter, Liebe und Sexualität
I. Privathaushalte

  1. Privathaushalte als biosoziale Reproduktionsverhältnisse im Kapitalismus
  2. Formen der Privathaushalte
    II. Geschlechter
  3. Biologische Geschlechter
  4. Soziale Geschlechterrollen
  5. Individuelle Geschlechtsidentität
    III. Liebesbeziehungen
  6. Die monogame Liebesbeziehung/Kleinfamilie/Ehe
  7. Polyamorie und Beziehungsanarchie
  8. „Liebe“ und Gewalt
    IV. Sexualität
  9. Sexualität als biosoziale Reproduktion
  10. Staat und Schwangerschaftsunterbrechung
  11. Prostitution als Ware-Geld-Perversion
  12. Heterosexuelle Normierung und Regenbogen-Toleranz

Die vom Weltkapitalismus produzierte ökosoziale Krise
I. Die globale ökosoziale Krise

  1. Vergiftung, Verseuchung, Vermüllung und Entwaldung
  2. Artenmassensterben
  3. Der Klimawandel
  4. Das planetare Fleischkapital
  5. Die internationale Agrarindustrie
  6. Zoonosen
    II. Lösungsversuche
  7. Kapitalistisch-technokratische Krisenlösungsstrategien
  8. Klassenübergreifende Ökologiebewegung und proletarischer Klassenkampf
  9. Kleinbürgerlich-reformistische/radikale Lösungsversuche
  10. Der antipolitisch-sozialrevolutionäre Lösungsansatz

Der reproduktive Klassenkampf

Im Kapitel II.2 haben wir den dialektischen Widerspruch der Lohnarbeit aus proletarischer Perspektive dargestellt, nämlich, dass sie einerseits die Grundlage der biosozialen Reproduktion der Lohnabhängigen ist, andererseits diese aber auch untergräbt. Gegen die absolute Tendenz des Kapitals durch Überausbeutung mörderischen Raubbau am Leben und an der Gesundheit der lohnabhängigen Arbeitskraft zu leisten, entwickelt sich der Klassenkampf als Notwendigkeit der biosozialen Reproduktion des Proletariats. Ohne den Kampf des Letztgenannten für höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten hätte die Bourgeoisie das Proletariat durch Überausbeutung ausgerottet. Der Klassenkampf des Proletariats ist also im Doppelsinn reproduktiv. Erstens sichert es die biosoziale Reproduktion des Proletariats gegen die totalitäre Tendenz des Kapitals zur dessen Überausbeutung. Zweitens reproduziert der Klassenkampf, indem er im Normalfall in den Grenzen des Kapitalismus geführt wird, auch diese Gesellschaftsordnung.

Der reproduktive Charakter des Klassenkampfes wird sowohl durch seine den Kapitalismus erneuernden als auch durch seine revolutionären Tendenzen relativiert. Durch den Klassenkampf wird die kapitalistische Produktionsweise ständig erneuert. Erkämpft zum Beispiel das Proletariat eine kürzere Tages- und Wochenarbeitszeit, reduziert es die Mehrarbeitszeit. Also jene Zeit, in der die Lohnabhängigen den Mehrwert produzieren (siehe Kapitel I.1). Das kann natürlich das kapitalistische Management der Einzelbetriebe nicht akzeptieren. Es wird versuchen, die Arbeit zu intensivieren. So dass die Lohnabhängigen in der kürzeren Zeit mindestens genauso viel Mehrwert produzieren wie vorher. Durch die einzelkapitalistische Erhöhung der Arbeitsintensität sinkt die selbstreproduktive Arbeitszeit, die Zeit in der die Lohnabhängigen einen Tauschwert produzieren, der ihrem Lohn entspricht, relativ zu der Gesamtarbeitszeit. Wodurch die Mehrarbeitszeit relativ zur selbstreproduktiven Arbeitszeit und damit der Mehrwert steigt.

Oder dem klassenkämpferischen Proletariat gelingt es, relativ große Lohnerhöhungen durchzusetzen. Dann kann es sein, dass der Einsatz von bestimmten Maschinen lukrativ wird, der es vorher nicht war. Im Kapitalismus lassen sich Maschinen nur profitabel einsetzen, wenn ihr Preis geringer ist als die Lohnhöhe der ArbeiterInnen, die durch sie eingespart werden können. Durch proletarischen Klassenkampf erhöhte Löhne können also dazu führen, dass Maschinen profitabel einsetzbar werden, was vor der Lohnerhöhung nicht der Fall war. Steigt die Arbeitsproduktivität stärker als die Kapitalvermehrung, kann die Erwerbslosigkeit zunehmen. Die Nachfrage nach Arbeitskräften sinkt tendenziell und damit fallen auch die Löhne, was die Profitabilitätsspanne des Einsatzes neuer Maschinen reduziert. Gelingt es dem wirtschaftlichen Kern der Bourgeoisie (KapitalistInnen und WirtschaftsmanagerInnen) in einem erfolgreichen Klassenkampf von oben die Löhne stark zu senken, wird es für bestimmte Einzelkapitale lukrativ, unterhalb der technologischen Möglichkeit produzieren zu lassen, also lebendige Arbeitskräfte gegen von anderen Kapitalen und/oder in anderen Ländern eingesetzte Maschinen konkurrieren zu lassen.

Der Klassenkampf ist jedoch nicht nur auf das Engste mit der kapitalistischen Modernisierung verzahnt, sondern auch eng mit der Krisendynamik verbunden. Das streikende Proletariat produziert keinen Mehrwert, aber es gelingt ihm vielleicht unter den besten Bedingungen eine Lohnerhöhung und eine Arbeitszeitverkürzung zu erkämpfen, die das kapitalistische Management nicht sofort mit den oben beschriebenen Gegenmaßnahmen beantworten kann. Der erfolgreiche proletarische Klassenkampf kann zum Sinken der Mehrwertrate führen. Die Erhöhung der Mehrwertrate ist aber die wichtigste kapitalistische Gegenmaßnahme zum tendenziellen Fall der Profitrate (siehe Kapitel II.2). Das klassenkämpferische Proletariat kann also unter den besten Bedingungen zum tendenziellen Fall der Profitrate beitragen.

So war das zum Beispiel während des proletarischen 1968, die starke Zunahme des Klassenkampfes am Ende des Nachkriegsaufschwunges am Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre in Europa, Teilen Asiens (zum Beispiel im Libanon) und Nordamerika. Der sich verschärfende Klassenkampf übte massiven Druck auf die Mehrwert- und Profitraten aus. Er hatte einen wichtigen Anteil daran, dass der westeuropäische und der nordamerikanische Kapitalismus 1974 aus der Periode der beschleunigten Kapitalvermehrung in die der strukturellen Profitproduktionskrise geriet (siehe Kapitel II.2). Die strukturelle Profitproduktionskrise führte mit ihrer Massenarbeitslosigkeit – die mal ab und mal zu nahm – zu einer deutlichen Verschlechterung der biosozialen Reproduktion der Lohnabhängigen. Und auch zu einer massiven Veränderung des Kräfteverhältnisses zwischen Bourgeoisie und Proletariat. Der westeuropäischen und nordamerikanischen Bourgeoisie gelang es durch eine Offensive im Klassenkampf von oben, die Mehrwertrate wieder zu erhöhen und damit dem tendenziellen Fall der Profitrate entgegenzuwirken.

War das klassenkämpferische Proletariat am Ende des kapitalistischen Nachkriegsaufschwunges das Subjekt der sich entwickelnden strukturellen Profitproduktionskrise, wurde es bei deren weiteren Entfaltung weitgehend zum Objekt des erfolgreichen Klassenkampfes von oben. Der proletarische Klassenkampf trug also unter den besten Bedingungen – die einer Periode der beschleunigten Vermehrung des Kapitals – dazu bei, dass sich die biosozialen Reproduktions- und Kampfbedingungen in der strukturellen Profitproduktionskrise extrem verschlechterten. Bleibt der Klassenkampf in den Kapitalismus reproduzierenden Grenzen, kann er sich bestenfalls zu Tode siegen.

Es besteht aber nach wie vor die Möglichkeit, dass sich der Klassenkampf in außergewöhnlichen und extremen Situationen – die von der Verschärfung der kapitalistischen Krisendynamik geboren werden – zur sozialen Revolution radikalisiert (siehe Kapitel II.4 der Schrift Die vom Weltkapitalismus produzierte ökosoziale Krise). SozialrevolutionärInnen kämpfen bewusst dafür, dass diese Möglichkeit zur materiellen Gewalt wird. Sie predigen nicht in einer abstrakten „Agitation und Propaganda“ die Notwendigkeit der sozialen Revolution. Diese ist zwar in der Tat notwendig, um die permanente Krise der biosozialen Reproduktion, in der sich große Teile des Weltproletariats befinden (siehe die Kapitel I.2 und II.1), progressiv zu beenden. Der reproduktive Klassenkampf vermag diese Krise nur vorübergehend einzudämmen.

Aber zu dieser Erkenntnis kann die übergroße Mehrheit des globalen Proletariats sich nur in einer möglichen radikalen Verschärfung des Klassenkampfes durchringen. Mehrheitliches revolutionäres Klassenbewusstsein kann nur das bewusste Sein der sozialen Revolution sein. Bewegt sich der Klassenkampf innerhalb des den Kapitalismus reproduzierenden und modernisierenden Grenzen, kann sich nur eine mikrokleine Minderheit der Lohnabhängigen und der Intellektuellen zu einem revolutionären Bewusstsein entwickeln. Diese mikrokleine Minderheit kann praktisch-geistige Impulse zur Radikalisierung des Klassenkampfes geben – aber sie kann nicht künstlich eine soziale Revolution auslösen. Letztere kann sich nur möglicherweise durch die gegenseitige Durchdringung der extremen Verschärfung der kapitalistischer Krisendynamik und der Radikalisierung des proletarischen Klassenkampfes herausentwickeln. So war die europäische revolutionäre Nachkriegskrise (1917-1923, siehe Kapitel II.4 des Textes Die vom Weltkapitalismus produzierte ökosoziale Krise) die proletarische Reaktion auf das extreme Elend, welches das imperialistische Großmassaker des Ersten Weltkrieges mit sich brachte. Es ist alles andere als undenkbar, dass die sich extrem verschärfende kapitalistische Krisendynamik auch in Zukunft revolutionäre Situationen vorbereiten wird. Und auf diese Situationen müssen sich bewusste SozialrevolutionärInnen bereits im reproduktiven Klassenkampf vorbereiten.

Praktisch-geistige Impulse zur Radikalisierung des Klassenkampfes zu geben, heißt auch, die sich oft instinktiv-vorbewusst entfaltenden revolutionären Tendenzen der reproduktiven Auseinandersetzung des Proletariats mit der Bourgeoisie, bewusst zu machen. Es ist bereits eine revolutionäre Tendenz des proletarischen Klassenkampfes, dass er überhaupt existiert. Lohnabhängige zeigen in ihm, dass sie viel mehr sind als menschliches produktives Kapital, dass für die Bourgeoisie den Mehrwert produziert. Dass sie ihre biosozialen Bedürfnisse gegen den totalitär herrschenden Anspruch des Kapitals „Vermehre mich!“ verteidigen und teilweise auch militant durchsetzen.

Die proletarische Selbstorganisation für die eigenen biosozialen Bedürfnisse ist eine revolutionäre Tendenz und Potenz des reproduktiven Klassenkampfes. Im Normalfall der kapitalistischen Ausbeutung und politischen Verwaltung (siehe Teil III) wird das Proletariat durch Kapital und Staat klassenmäßig fremdbestimmt. Nur im und durch Klassenkampf kann sich das Proletariat für seine eigenen biosozialen Bedürfnisse selbst organisieren. Die klassenkämpferische Selbstorganisation der Lohnabhängigen ist ein dialektischer Widerspruch, der sich zwischen den beiden Polen „lohnabhängig“ und „selbstorganisiert“ entfaltet. Innerhalb des reproduktiven Klassenkampfes kann sich dieser Widerspruch nur bewegen. Die progressive Lösung dieses dialektischen Widerspruches stellt die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats dar.

Die Selbstorganisation des Proletariats entfaltet sich bereits im konspirativ-illegalen Alltagsklassenkampf. Die Lohnabhängigen missachten in dieser Form des Klassenkampfes heimlich einige Anweisungen der kapitalistisch-bürgerlichen Arbeitshierarchie, um ihre Ausbeutungsobjektivität abzumildern. Sie machen – wo es die Lücken der Kontrolle und Überwachung zulassen – selbstbestimmt inoffizielle Pausen, lassen kleinere Produkte und Produktionsmittel illegal mitgehen, wodurch sie ihren Lohn aufbessern und so weiter und so fort.

Formen des konspirativ-illegalen Alltagsklassenkampfes sind auch die Sabotage und die produktive Aneignung der Produktionsmittel. Bei der Sabotage machen die Lohnabhängigen – dabei Lücken der Kontrolle ausnutzend – das kaputt, was sie kaputt macht: die Produktionsmittel, die in der Hand des Kapitals immer auch mächtige Zerstörungsmittel der Natur und der lohnabhängigen Arbeitskräfte sind. Die proletarischen Saboteure erkennen praktisch-faktisch das Eigentum der Bourgeoisie an den Produktionsmitteln nicht an. Sie zerstören fremdes Eigentum und missachten den Arbeitsvertrag. Sie sollen an und mit den Produktionsmitteln Mehrwert für das Kapital produzieren, diese aber nicht kaputtmachen. Die Lohnabhängigen täuschen mit der Sabotage einen technischen Defekt vor, um während der Reparatur beziehungsweise der Auswechselung der kaputten Produktionsmittel mal ein wenig Pause zu haben.

Auch die individuelle produktive Aneignung der Produktionsmittel durch die Lohnabhängigen stellt eine praktisch-faktische Nichtanerkennung des kapitalistischen Eigentums dar. Bei dieser Form des illegal-konspirativen Alltagsklassenkampfes, die bei Lücken in der Kontrolle sowohl in traditionellen handwerklichen Betrieben als auch an modernen Computerarbeitsplätzen möglich ist, stellen die Lohnabhängigen, immer wenn der Chef nicht hinguckt, Produkte für sich selbst her. Während dieser illegal-konspirativen produktiven Aneignung hören die Produktionsmittel faktisch auf gegenständliches produktives Kapital zu sein. Mit ihnen wird während der Aktion kein Warenkapital für die Bourgeoisie produziert, sondern Produkte für den eigenen Bedarf. Durch die illegale produktive Aneignung der Produktionsmittel hört der unmittelbare Produzent in und durch die Klassenkampfaktion faktisch auf menschliches produktives Kapital zu sein. Er produziert faktisch in dieser Zeit kein Tausch- und Mehrwert für die Bourgeoisie, sondern stellt selbstorganisiert Dinge für sich selbst her. Er hebt sich also tendenziell revolutionär selbst als Lohnabhängiger auf. Formal und für die viel längere Zeit, in der die produktive Aneignung nicht erfolgen kann, bleiben die Produktionsmittel und er selbst natürlich gegenständliches und menschliches produktives Kapital. Das sind die reproduktiven Grenzen auch dieser Form des Klassenkampfes.

Streikende Lohnabhängige hören selbstbestimmt auf, Tausch- und Mehrwert für das Kapital zu produzieren. Das ist eine revolutionäre Tendenz und Potenz. Bleibt der Klassenkampf jedoch im Rahmen des Kapitalismus, müssen die Lohnabhängigen die Arbeit irgendwann wieder aufnehmen. War die Arbeitsniederlegung einigermaßen erfolgreich, dann hat sich durch höhere Löhne beziehungsweise eine kürzere Arbeitszeit die Ausbeutungsobjektivität vielleicht etwas abgemildert, aber sie hat sich reproduziert. Das ist die reproduktive Grenze des Klassenkampfes. Aber während des Streiks haben die Lohnabhängigen ihre kollektive Kraft gespürt. Ausstände erhöhen tendenziell und potenziell das kollektive Klassenbewusstsein des Proletariats. Das gehört zu dessen revolutionären Tendenzen und Potenzen.

Fazit: ProletarierInnen sind als Marktsubjekte (siehe Kapitel I.2), Familienmenschen (siehe die Schrift Privathaushalte, Geschlechter, Liebe und Sexualität) und StaatsbürgerInnen (siehe Teil III dieses Textes) absolut kleinbürgerlich. Nur im und durch den kollektiven Klassenkampf entfalten sich die revolutionären Tendenzen und Potenzen des Proletariats. Im reproduktiven Klassenkampf bewegt sich der Widerspruch zwischen den kleinbürgerlichen und den revolutionären Tendenzen der Lohnabhängigen. Gelöst werden kann dieser Widerspruch nur durch die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats.

…..

Gewerkschaften sind die bürokratisch entfremdeten Ausdrücke des reproduktiven Klassenkampfes der Lohnabhängigen im Rahmen des Kapitalismus. Sie reproduzieren in der Regel die kapitalistische Klassengesellschaft in Form von bürgerlich-bürokratischen Apparaten aus hauptamtlichen FunktionärInnen auf der einen Seite und der lohnabhängig-klassenkämpferischen Basis auf der anderen. Hauptamtliche GewerkschaftsfunktionärInnen, die maßgeblich bestimmen, was läuft und was nicht läuft, gehören sozial nicht zum Proletariat. Gewerkschaften sind also in Regel kein Ausdruck der klassenkämpferischen Selbstorganisation des Proletariats, sondern verkörpern ihr Gegenteil, nämlich die bürgerlich-bürokratische Fremdbestimmung der Klasse. Die Haupttendenz der Gewerkschaftsapparate ist die Anpassung an den Kapitalismus beziehungsweise die Integration in den bürgerlichen Staat (siehe Kapitel III.2).

Bereits in den gewerkschaftlich kontrollierten Streiks, besonders in den längeren Ausständen, entwickelt sich die Doppelherrschaft aus der klassenkämpferischen Selbstorganisation der Lohnabhängigen und der Apparate. Der vollendete Ausdruck der klassenkämpferischen Selbstorganisation ist die gewerkschafsunabhängige Arbeitsniederlegung, der sogenannte wilde Streik. Die klassenkämpferische Selbstorganisation kommt in wilden Ausständen sowohl informell als auch in gewerkschaftsunabhängigen Streikkomitees zum Ausdruck. Der selbstorganisierte Klassenkampf ist in all seinen Formen die progressive Alternative zu den Gewerkschafsapparaten. Auch wenn sie im Rahmen des reproduktiven Klassenkampfes noch nicht den Charakter der revolutionären Klassenkampforganisation annehmen kann (siehe Kapitel II.4 des Textes Die vom Weltkapitalismus produzierte ökosoziale Krise).

Kommentare sind geschlossen