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Nicht nur gegen Studiengebühren!

„Bildung kann wesentlicher Faktor der Aufklärung über den wahren Zustand der entfremdeten Gesellschaft sein… nicht aber eigene revolutionäre Kraft.“ (Karl Marx, Grundrisse der politischen Ökonomie 1857/ 58).

Das Bildungswesen in Deutschland ist, wie für kapitalistische Staaten charakteristisch, ausschließlich Kapitalinteressen unterworfen. Die Bildungseinrichtung Schule ist neben den Faktoren Familie, Freundeskreis, Kindergarten die erste staatliche Zwangs-Institution, die sich der „Zurichtung“ junger Menschen dient. Zurichtung bedeutet in diesem Sinne, dass die Grundregeln der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft (Leistungs- und Anpassungsfähigkeit, Autoritätshörigkeit, Konkurrenzdenken, Gesetzestreue etc.) in der Schule mehr oder weniger offensichtlich anerzogen werden.
Betrachtet mensch Bildungsstruktur, lassen sich natürlich differenzierte, vielschichtige Abläufe erkennen (auch emotional-positive), die jedoch immer wieder auf die oben genannten, dem Kapitalismus immanenten Mechanismen und Maximen zurückgeführt werden können und müssen. Als Beispiel seien hier Noten als Druckmittel zur Verinnerlichung des Konkurrenz- und Leistungsprinzips, die Schulordnung als repressiver Verhaltensnormierungs-Gesetzeskatalog, die Geschlechterprägung in Klassenkollektiven genannt.

Eine radikale Bildungskritik kann niemals auf die kritische Analyse der Struktur, der internen Funktionsweise von Schule beschränkt bleiben, es ist notwendig die gesellschaftlichen, die ökonomischen, politischen, rechtlichen und institutionellen, Rahmenbedingungen von Bildung zu betrachten.

Schule wird traditionell als geistesgeschichtlich-kulturelles Phänomen gefasst – in geisteswissenschaftlichen Überlegungen ist die zentrale Funktion der Schule die Überführung des Kindes aus dem Familienkreis in die Willensform des öffentlichen Lebens. „Die Schule organisiere den Übergang vom Spiel zum Ernst der Arbeit.“ (Zitat aus einem pädagogischen Handbuch). Ein junger Mensch tritt also in die Institution Schule ein, um innerhalb von 9 bis 13 Jahre genormt zu werden, also zum loyalen Staatsbürger/ zur loyalen Staatsbürgerin erzogen zu werden, der/ die existiert, um den gesellschaftlichen Ist-Zustand in seinen Grundzügen zu erhalten bzw. noch zu optimieren (denken wir an die durch menschliche Arbeitskraft geschaffenen technischen und kulturellen Innovationen). Das Ziel von Schule ist also das Formen von Menschen, die die herrschende Ordnung anerkennen und natürlich nach Qualifikationen streben, die verwertbar machen. Um dies zu veranschaulichen soll im Folgenden die Entstehung des öffentlichen, allgemein bildenden Schulwesens im Zusammenhang mit der Durchsetzung des Kapitalismus nachvollzogen werden.

Der Staat befriedigt mit seinem Bildungswesen seinen Bedarf an StaatsbürgerInnen, die zum einen die Mechanismen der Demokratie, vor allem das Wählen als höchstes demokratische Recht zur „Teilhabe an und Mitgestaltung von Gesellschaft“ anerkennen, zum anderen, spezifische Kompetenzen erlernend, als Humankapital ihre Arbeitskraft auf dem Markt zum Verkauf anbieten. Dass ein Mensch im kapitalistischen Sinne ein „zweckmäßiges Dasein“ fristet, wenn er/ sie arbeitet ist das perverse Charakteristikum dieser Gesellschaftsform. Menschen derart zu indoktrinieren, dass sie Arbeit als Lebenszweck anerkennen, daran haben Schule und Uni einen erheblichen Anteil.

Die beschriebene formale Konstruktion des Bildungssystems folgt einer kapitalistischen Logik. In einer funktionierenden Gesellschaft muss es sowohl Menschen geben, die die anfallenden „Drecksarbeiten“ ausführen, als auch Menschen, die sog. „Kopfarbeit“ leisten und z.B. Technologie weiterentwickeln und der Gesellschaft ihre kreativen Ideen zur Verfügung stellen. Die Besetzung dieser Positionen wird mittels einer selektiven Ausbildung gesteuert.

Emanzipatorische Bildungskritik stellt dem an Kapitalinteressen orientierten Bildungswesen eine qualitativ hochwertige, am Menschen ausgerichtete Bildung als Selbstzweck und nicht als Rüstzeug für ein Leben im Kapitalismus entgegen! Konsequent argumentiert, Bildung als Bestandteil der Gesellschaft betrachtet, kann ein freiheitliches und emanzipatorisches Bildungssystem nicht kapitalismusimmanent funktionieren. Die Notwendigkeit bleibt in diesem Sinne: Nieder mit dem Kapitalismus!

Die Art und Weise wie in dieser Gesellschaft produziert wird wirkt sich damit auch auf das Bildungssystem und deren ganzen Lerninhalt aus. Deshalb können kapitalistische Arbeitsprozesse und Schulsystem nur durch gemeinsame Aktionen von ArbeiterInnen, SchülerInnen und StudentInnen umgestaltet werden. Wir dürfen deshalb nicht nur auf uns schauen sondern müssen unseren Widerstand mit denen der ArbeiterInnen verknüpfen.

Bildung ist genau wie jede Institution, jedes Individuum nur ein Bestandteil der gesellschaftlichen Verhältnisse, also der herrschenden KAPITALISTISCHEN Verhältnisse. Eine Bildung im Kapitalismus muss im Endeffekt eine Bildung für den Kapitalismus bleiben!

Ein selbstbestimmtes und kreatives Lernen und Tätig sein ist nur jenseits von Staat und Markt möglich. Nieder mit dem staatlichen Bildungssystem – für ein selbstbestimmtes Lernen in einer klassenlosen Gesellschaft!


Einige wütende SchülerInnen und StudentInnen

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