Neue Broschüre: Schriften zur russischen Revolution (1917-1921)

Unsere zweite Broschüre der Trilogie über die Sowjetunion ist da. Die Broschüre „Schriften zur russischen Revolution (1917-1921)“ von Soziale Befreiung (Hg.) (ca. 113 Seiten) könnt Ihr für 5-€(inkl. Porto) hier über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.

Inhalt

Einleitung

Klassenkämpfe in Sowjetrussland (1917-1921)

1. Klassenkämpfe im zaristischen Russland
2. Die Februarrevolution
3. Von der Februar- zur Oktoberrevolution
4. Die staatskapitalistische Reaktion gegen die proletarische Selbstorganisation
5. Kronstadt und die Dekadenz des Parteimarxismus

Der BürgerInnen- und imperialistische Interventionskrieg (1918-1921)

1. Die damalige und die heutige sozialrevolutionäre Sicht
2. Staatskapitalistische Reaktion gegen privatkapitalistische Reaktion
3. Bolschewistische Parteidiktatur und BürgerInnenkrieg
4. „Kriegskommunismus“
5. Sowjetrussischer Imperialismus in der Ukraine
6. Sowjetrussischer Imperialismus in Georgien

Die „Kommunistische“ Internationale gegen das Weltproletariat

1. Die „Kommunistische“ Internationale als Teil der globalen Sozialreaktion
2. Moskau gegen die „Ultralinken“
3. Die „K“PD im Jahre 1923

Wir veröffentlichen hier einen Auszug aus der Broschüre „Schriften zur russischen Revolution (1917-1921)“ Kapitel „Sowjetrussischer Imperialismus in der Ukraine“ über die Machno-Bewegung.

Der BürgerInnen- und imperialistische Interventionskrieg (1918-1921)

5. Sowjetrussischer Imperialismus in der Ukraine

Die UdSSR muss von proletarischen RevolutionärInnen als ein staatskapitalistisch-imperialistisches Land bezeichnet werden. Dieser sowjetische Imperialismus war von Anfang an in der Regel defensiv gegenüber starken Fraktionen der Welt-Bourgeoisie – nur gegenüber schwachen bürgerlichen Staaten wurde er offensiv. Und er bildete sich schon unter Lenin und Trotzki heraus und nicht erst unter Stalin.
Ein besonders ekelhafter Ausdruck des sowjetrussischen Imperialismus war die Zerschlagung der kleinbäuerlich-landproletarischen Machno-Bewegung in der Ukraine durch die Rote Armee. Hier waren die Bolschewiki sehr schwach. Die Oktoberrevolution setzte sich in der Ukraine erst zwischen November 1917 und Januar 1918 durch. Bis dahin herrschte dort die bürgerlich-nationalistische Petljura-Regierung, gegen den der leninistische Parteiapparat nicht revolutionär, sondern bürokratisch-militärisch in Form der Roten Armee vorging. Doch es entwickelte sich in der Ukraine auch eine kleinbäuerlich-landproletarische Bewegung, die unabhängig von der bolschewistischen Partei war und gegen alle adeligen und bürgerlichen Kräfte – einschließlich des Partei-„Kommunismus“ – einen Partisanenkrieg führte. Sie kontrollierte länger als drei Jahre ein Gebiet von 70 000 km2, auf dem eine Bevölkerung von über 7 Millionen Menschen lebten. Diese Bewegung konnte sich auch eine Zeit lang halten, als die Bolschewiki sich militärisch in der Ukraine festigten. Sie enteignete die Großgrundbesitzer und Großbauern und vergesellschaftete teilweise Produktionsmittel, Werkzeuge und Landbenutzung. Der ideologische Überbau dieser Bewegung war der Anarchismus.
Auch die Ukraine gehörte zu den Gebieten, die nach dem Frieden von Brest-Litowsk von der bolschewistischen Regierung an Deutschland abgegeben wurden. Die Rote Armee zog ihre Truppen aus der Ukraine ab, und deutsche und österreichische Soldaten besetzten die Ukraine. Die neue Besatzungsmacht setzte die alte monarchistische Regierung, die vor der Februarrevolution bestand, die Regierung des Hetman Skoropadski wieder ein. Gegen die bürgerlich-monarchistische Reaktion erhob sich im Sommer 1918 eine starke revolutionäre Bewegung, die Revolutionäre Aufstandschaft. Die Revolutionäre Aufstandschaft enteignete Gutsbesitzer und führte einen Partisanenkrieg gegen die Besatzungstruppen. Dieser Guerillakrieg wurde in Form von kleinen Freischärlertrupps, die aus 20, 50 oder 100 berittenen und bewaffneten Bauern bestand. Sie operierten bezirksweise, ohne einer ukrainischen Generalsführung. Für die deutschen und österreichischen Besatzungstruppen waren die Freischärlertrupps ein ernstzunehmender Feind. Im Süden der Ukraine kämpfte eine sehr erfolgreiche Freischärlertruppe unter dem Bauern Nestor Machno.
Nach ihrer Niederlage im 1. Weltkrieg verließen die deutschen und österreichischen Besatzungstruppen die Ukraine. Jetzt gab es in der Ukraine drei Bewegungen, die sich bewaffnet gegenüberstanden: die national-kapitalistische Petljura-Bewegung, die Rote Armee und die Machno-Bewegung. Auch die ukrainischen KleinbäuerInnen und LandproletarierInnen hatten in Form der Machno-Bewegung einen Anteil am Sieg über das Petljura-Regime. Doch von Südosten näherte sich eine neue Gefahr in Gestalt der monarchistischen Weißgardisten unter General Denikin. Die Machno-Bewegung stellte sich der neuen konterrevolutionären Gefahr sofort erfolgreich entgegen.
Die Bolschewiki boten der Machno-Armee an, mit der Roten Armee zu verschmelzen, um Denikin endgültig zu besiegen. Die AnarchistInnen gingen darauf ein, verlangten aber ihre Unabhängigkeit innerhalb der Roten Armee. Es war also ein rein militärischer Pakt. Doch die Rote Armee zog sich im Nordosten zurück und überließ dieses Gebiet den Weißgardisten. Doch durch die lang anhaltenden Kämpfe und dem Rückzug der Roten Armee geschwächt, war die Invasion der Weißgardisten für die AnarchistInnen sehr verlustreich. Die Machno-Armee setzte sich in die Stadt Gulai-Pole ab. Doch die weiße Konterrevolution umkreißte diese Stadt. Trotzki bot nun seine Hilfe an und ließ einen mit Rotarmisten besetzten Panzerzug nach Gulai-Pole fahren. Doch die AnarchistInnen erfahren von einem Geheimbefehl, der vorsah, Machno gefangen zu nehmen und hinrichten zu lassen. Machno trat als Führer der Revolutionären Aufstandschaft zurück. Er entkam mit einigen anderen AnarchistInnen der weißen und „roten“ Konterrevolution.
Ungefähr die Hälfte der übrig gebliebenen Armee der Revolutionären Aufstandschaften traten der Roten Armee bei, um weiter gegen die Weißgardisten kämpfen zu können. Doch Trotzki befahl der Roten Armee den Rückzug aus der Ukraine. Diesen Rückzug beantworteten die AnarchistInnen mit einem Sturz der „roten“ Kommandeure. Sie bewaffneten und formierten sich neu –wiederum unter der Führung Machnos. Doch diese neue, sich noch in der Entstehungsphase befindende Armee, war den täglichen Angriffen der Weißgardisten noch nicht gewachsen. Sie zog sich erst mal Richtung Westen zurück. Doch die WeißgardistInnen kesselten die Machno-Armee ein. Die AnarchistInnen gerieten in die Gefahr, vernichtet zu werden. Doch mit einem Überraschungsangriff sprengten sie die Ketten der weißen Konterrevolution.
Dieser grandiose Siegeszug der Machno-Armee, blieb auch Trotzki nicht verborgen. Er ließ die „rote“ Konterrevolution abermals in die Ukraine einmarschieren. Diesmal bestanden Trotzkis Truppen ausschließlich aus lettischen und chinesischen Soldaten, um eine Verbrüderung mit der Machno-Armee zu verhindern. Gerade zu dieser Zeit ist die Hälfte der Revolutionären Aufstandschaften an Typhus erkrankt –auch Machno. Trotzkis konterrevolutionären Feldzug in der Ukraine bezahlten 200.000 ukrainische ArbeiterInnen und BäuerInnen mit ihrem Leben und ihrer Gesundheit. Ebenso viele wurden in Zwangslager deportiert.
Als der weiße General Wrangel Russland und die Ukraine bedrohte, kam es im Oktober 1920 abermals zu einem Bündnis zwischen Roter Armee und den Revolutionären Aufstandschaften –diesmal sogar mit Vertrag. In diesem Vertrag sicherten die Bolschewiki den AnarchistInnen die Legalisierung ihrer Bewegung und die Freilassung aller AnarchistInnen und Machno-KämpferInnen zu. Doch nach dem Sieg über Wrangel – der zum großen Teil das Verdienst der Revolutionären Aufstandschaften war – brach die bolschewistische Parteibürokratie den Vertrag. Sie überschüttete die AnarchistInnen mit Verleumdungen und Lügen. So behaupteten die Bolschewiki, dass die Revolutionären Aufstandschaften mit Wrangel zusammengearbeitet hätten. Doch diese Lüge sollte nur die staatskapitalistisch-bürokratische Unterdrückung der Machno-Bewegung verschleiern.
Die frei gewählten „Offiziere“ der Revolutionären Aufstandschaften wurden von den verlogenen LeninistInnen zu einer militärischen Besprechung auf der Krim eingeladen. Dort wurden sie ohne Gerichtsverfahren hingerichtet. Nur wenige konnten fliehen –darunter auch Machno. Trotzki bezeichnete noch 1938 die bolschewistische Partei zu Lebzeiten Lenins als „die ehrlichste Partei in der Geschichte. Natürlich täuschte sie den Klassenfeind, wo immer sie konnte; auf der anderen Seite sagte sie den Arbeitern die Wahrheit, die ganze Wahrheit, und nichts als die Wahrheit.“ (Leo Trotzki, Ihre Moral und unsere, Berlin 1967, Zitiert nach Heinz Abosch, Trotzki und der Bolschewismus, a.a.O., S. 143.) Wie wir sehen, war Trotzki der legitime Erbe der bolschewistischen Wahrheitsliebe.
Die Rote Armee führte, unter dem Oberbefehl von General Frunse, ihren Vernichtungsfeldzug gegen die bäuerliche Ukraine. Ihren 150 000 Soldaten standen nur 3000 AnarchistInnen der Revolutionären Aufstandschaft gegenüber. Doch die Machno-Bewegung wehrte sich neun Monate gegen die Übermacht. Den überlebenden AnarchistInnen gelang es schließlich nach Rumänien zu fliehen. Der Anarchist Horst Stowasser schrieb: „Das Experiment der Freiheit in der Ukraine war von den neuen Herren niedergemacht worden. Sie hielten blutige Rache für den Versuch eines Volkes, sich frei und ohne die kommunistische Partei selbst zu bestimmen: ganze Dörfer wurden von Lenins Truppen ,liquidiert´. Die Rote Armee benahm sich wie eine Besatzungsmacht im eigenen Land.“ (Horst Stowasser, Leben ohne Chef und Staat, Karin Kramer Verlag, Berlin 1997, S. 24.)
In der Tat benahm sich die Rote Armee wie ein Werkzeug des sowjetrussischen Imperialismus in einem fremden Land. Der Teil der Ukraine, in der sich die Machno-Bewegung entfaltete, konnte nur durch imperialistische Eroberung in Sowjetrussland integriert werden. Dass die Soldaten der imperialistischen Roten Armee während des Vernichtungsfeldzuges gegen die vom Bolschewismus unabhängige ukrainische Bewegung der KleinbäuerInnen und LandproletarierInnen aus nichtukrainischen Soldaten bestand, verstärkte noch den imperialistischen Charakter der Vernichtung der Machno-Bewegung. Wobei selbstverständlich nicht der imperialistische Charakterzug das vorherrschende Merkmal der Liquidierung der kleinbäuerlich-landproletarischen Machno-Bewegung durch den staatskapitalistischen Bolschewismus war, sondern lediglich ein Teilaspekt darstellte.
Wir möchten hier auch betonen, dass die Unterdrückung der anarchistischen Machno-Bewegung durch den bolschewistischen Parteimarxismus nicht durch die ideologische Brille – „Der böse autoritäre Marxismus hat mal wieder den armen antiautoritären Anarchismus unterdrückt!“ – gesehen werden sollte. Betrachtet mensch die soziale Wurzel der bolschewistischen Liquidierung der Machno-Bewegung stellte sie die Vernichtung einer selbständigen kleinbäuerlich-landproletarischen Bewegung durch den sich herausbildenden Staatskapitalismus dar. Als nachmarxistische und nachanarchistische KommunistInnen bekämpfen wir sowohl die Mythologisierung des bolschewistischen Lenin/Trotzki-Regimes als auch der anarchistischen Machno-Bewegung.
Die Machno-Bewegung kämpfte gegen den österreichisch-deutschen Imperialismus und gegen die einheimische monarchistische, demokratische und bolschewistisch-staatskapitalistische Reaktion. Gegen letztere unterlag sie. Auch wenn sich heutige SozialrevolutionärInnen positiv auf den Kampf der Machno-Bewegung gegen alle seine Feinde beziehen können, so ist doch auch Kritik an ihren avantgardistischen und kleinbürgerlichen Tendenzen angebracht. Machno war ein anarchistischer Multifunktionär und unangefochtener Führer der ganzen Bewegung. Innerhalb vieler Variationen der anarchistischen Geschichtsbetrachtung wird diese bedenkliche Tendenz der herausragenden Bedeutung eines einzelnen Individuums kaum kritisch beleuchtet. So können wir die Machno-Bewegung kaum als eine sozialrevolutionäre Bewegung betrachten, die in ihrer eigenen Organisationsform die Politik aufgehoben hatte. Personenkult reproduziert politische Herrschaft und dass es einen Personenkult um Machno in dieser anarchistischen Bewegung gegeben hat, ist wohl kaum zu leugnen.
Als kleinbäuerlich-landproletarische Bewegung konnte die Machno-Bewegung aus sich heraus auch nicht aktiv gegen die Warenproduktion kämpfen, wie überhaupt die objektiven und subjektiven Bedingungen für eine revolutionäre Aufhebung der Warenproduktion in der Ukraine noch nicht gegeben waren. Die Bevölkerungsmehrheit, die ukrainischen BäuerInnen waren kleinbürgerliche PrivatproduzentInnen, die für sich selbst und für den Markt landwirtschaftliche Produkte herstellten Das bäuerliche Kleineigentum bedeutete soziale Differenzierung. Auf der einen Seite KleinbäuerInnen, deren Land zu klein war, als dass es sie ernähren konnte. Das heißt, dass sie nebenher Lohnarbeit bei reicheren BäuerInnen leisten mussten, um zu überleben. Selbst wenn das Geld vorübergehend abgeschafft worden wäre, mensch also zum Naturaltausch zurückgegangen wäre, hätte die soziale Basis von Warenproduktion und Lohnarbeit, das bäuerliche Privateigentum noch bestanden. Und keine Kraft hätte damals die BäuerInnen massenhaft dazu bewegen können, freiwillig auf das Privateigentum an Boden zu verzichten. Und dieses kleinbäuerliche Eigentum hätte Ware, Geld, Kapital und Lohnarbeit reproduziert.
Die Machno-Bewegung war Teil der urwüchsigen Agrarbewegung innerhalb der russischen Revolution. GutsbesitzerInnen wurden verjagt oder getötet, ihr Land aufgeteilt. Diese Bewegung half also dabei ganz viel bäuerliches Kleineigentum zu schaffen. Bäuerliches Kleineigentum kann aber keine Basis für eine klassen- und staatenlose Gesellschaft sein, da die kleinbürgerliche Produktionsweise schon embryonal die Lohnarbeit und damit auf der einen Seite Kapital und auf der anderen Proletariat erzeugt. Selbst wenn die Machno-Bewegung auch gegen den Bolschewismus militärisch gesiegt hätte, die soziale Differenzierung ihrer sozialen Basis hätte sie wahrscheinlich von innen zersetzt und zerstört. Auch wenn die ukrainischen BäuerInnen zu dieser Zeit vorwiegend für den unmittelbaren Bedarf produzierten und nur das landwirtschaftliche Mehrprodukt in den Austausch geriet, war doch das kleinbäuerliche Privateigentum die Basis für eine kleinbürgerliche Warenproduktion und damit auch die Grundlage für Kapital und Lohnarbeit in der Landwirtschaft.
Auch die Agrarkommunen, die am Rande der Machno-Bewegung von den ärmsten Schichten gegründet und später vom Bolschewismus zerschlagen wurden, hätten an dieser Entwicklung mit Sicherheit nichts ändern können, da sie nur Inseln im privatbäuerlichen Meer waren und Agrargenossenschaften unter solchen Bedingungen ökonomisch nichts anderes darstellen können als kleinbürgerlich-kollektive Formen der Warenproduktion. Und für eine Überwindung der Warenproduktion waren in der damaligen Ukraine weder die objektiven noch die subjektiven Bedingungen herangereift.
Die Zerschlagung der Machno-Bewegung durch den sowjetrussischen Staatskapitalismus ist ein eindeutiger Beleg dafür. So lange das Proletariat noch nicht die objektive und subjektive Reife zu seiner sozialrevolutionären Selbstaufhebung besitzt, bestimmt der unerbittliche bürgerliche Konkurrenzkampf die Richtung der gesellschaftlichen Entwicklung. Der Große frisst ohne Erbarmen den Kleinen. Teil dieses gnadenlosen Konkurrenzkampfes ist die Unterwerfung des bäuerlichen Dorfes unter die kapitalistische Stadt. Die russische Bourgeoisie erwies sich in der russischen Revolution als zu schwach um die Agrarrevolte zu unterdrücken und das Dorf der kapitalistischen Zivilisationsbarbarei zu unterwerfen. Deshalb wurde die Bourgeoisie von den Bolschewiki, welche sich auch sozialdemagogisch auf die russische BäuerInnenbewegung stützte, hinweggefegt. Doch die Bolschewiki waren trotz ihrer „kommunistischen“ Ideologie nur die staatskapitalistische Lösung der Krise des russischen Staates. So unterwarf sich der sowjetische Staatskapitalismus das bäuerliche Dorf. In der Ukraine auf imperialistische Weise durch den Einmarsch der Roten Armee und die brutale Zerschlagung der Machno-Bewegung, einer von den Bolschewiki unabhängigen kleinbäuerlich-landproletarischen Bewegung.
Sowohl die progressiven als auch die kleinbürgerlichen Tendenzen der Machno-Bewegung kommen in dem Buch ihres aktiven Mitkämpfers und späteren Historikers, Peter A. Arschinoff, zum Ausdruck. Wobei die kleinbürgerlichen Tendenzen der Bewegung in Geschichte der Machno-Bewegung nur durch kritisches Lesen zum Ausdruck kommen. Obwohl Arschinoff selbst von industrieproletarischer Herkunft und ein militanter Klassenkämpfer war, verschmolz er so stark mit der kleinbäuerlich-landproletarischen Machno-Bewegung, dass er deren kleinbürgerliche Tendenzen kaum noch wahrnahm. Die avantgardistischen Tendenzen reproduzierte Arschinoff geradezu unkritisch. An vielen Stellen seines Buches über die Machnobewegung formuliert Arschinoff sehr avantgardistisch, so dass nicht die KleinbäuerInnen und LandprletarierInnen als handelnde Subjekte erscheinen, sondern als Objekte des Organisationstalentes von Machno. Er betrieb in seinem Buch auch einen manchmal nur schwer ertragbaren Personenkult um Machno.
Nach der sozialreaktionären Zerschlagung der Machno-Bewegung durch den Bolschewismus musste auch Arschinoff in das westeuropäische Exil gehen. Dort verschärften sich seine avantgardistischen Tendenzen, die von seinen anarchistischen Gegnern als „Anarchobolschewismus“ bezeichnet wurden. Nach und nach zersetzte sich seine sozialrevolutionäre Einstellung. Er wurde von Depressionen und Heimweh geplagt. In den 1930er Jahren schrieb er antianarchistische Schriften und ging in die staatskapitalistische Sowjetunion zurück. Dort wurde er während der Säuberungen 1937 hingerichtet.
Bei aller Kritik an den kleinbürgerlichen Tendenzen der Machno-Bewegung und seines Geschichtsschreibers, die antipolitischen und antidemokratischen Tendenzen des Anarchismus brachte Arschinoff sehr gut auf den Punkt: „Der Anarchismus seinerseits lehnte die Demokratie als eine der Formen der Staatlichkeit ab; er lehnte auch die politische Revolution als Mittel zu deren Begründung ab.“ (Peter A. Arschinoff, Geschichte der Machno-Bewegung, Unrast Verlag, Münster 1098, S. 40.) Welch eine Klarheit und revolutionäre Konsequenz im Verhältnis zur Demokratie!
Nehmen wir uns an den progressiven Tendenzen von Arschinoff ein Beispiel. Kritisieren wir scharf den Parteimarxismus und die Demokratie, aber verbinden wir sie mit der revolutionärsten Tendenz des Marxismus, der materialistisch-dialektischen Geschichtsbetrachtung, die keinen Raum lässt für eine idealistische Verklärung der kleinbäuerlich-landproletarischen Machno-Bewegung.

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