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Nieder mit der Warenproduktion! Der globale kapitalistische Wahnsinn: Hunger bei Lebensmittelüberproduktion

Die strukturelle Nahrungsmittelkrise der globalen Unterschicht

Nahrungsmittel sind in der bürgerlichen Gesellschaft Waren wie die meisten anderen Güter auch. Wer nicht das nötige Geld hat, um sich diese leisten zu können, muss hungern — und dass in Angesicht übervoller Lebensmittelgeschäfte. Kapitalistische Überproduktion von Nahrungsmitteln und ein weltweites Hungerproblem gehören zum asozialen Wahnsinn, welche die innere Logik der Kapitalvermehrung ausmacht. Darin besteht die strukturelle Nahrungsmittelkrise der sozialen Unterschichten weltweit, und nicht etwa in der noch zu geringen Produktivität der Landwirtschaft, wie uns TechnokratInnen einreden wollen. Seit 1961 ist die weltweite Nahrungsmittelproduktion höher als der globale menschliche Bedarf an ihr.

Es ist also die ungleiche Verteilung dieser lebensnotwendigen Konsumgüter, die weltweit zu Hunger und Mangelernährung führt. Doch die ungleiche Verteilung von Konsumgütern ist nur eine Konsequenz der ungleichen Verteilung der großen Produktionsmittel. Im Kapitalismus sind die Produktionsmittel von Nahrung (Boden, Wasser, Saatgut, Düngemittel Landwirtschaftsmaschinen) entweder noch in den Händen von kleinbäuerlichen ProduzentInnen oder bereits in denen von kapitalistischen GroßfarmerInnen und GroßgrundbesitzerInnen. Die Landlosen und ländlichen Tagelöhnerlnnen, also das Landproletariat und die Klasse der Ausgeschlossenen, die es immer stärker in die kapitalistischen Metropolen zieht, sind vollständig von den landwirtschaftlichen Produktionsmitteln getrennt. Diese weltweite proletarisierte Landbevölkerung leidet, neben den städtischen Unterschichten, am stärksten unter Hunger und Mangelernährung. Gäbe es keine kapitalistischen GroßbäuerInnen, bäuerliche KleinbürgerInnen und auch kein Landproletariat, sondern stattdessen eine Assoziation freier ProduzentInnen, gäbe es auch das Paradox des Hungers auf dem Lande nicht.

Auch bei den städtischen Unterschichten ist der Mangel an Geld, als notwendigem Tauschmittel gegen Nahrungsmittel, Folge der kapitalistischen Produktionsweise. Wären sie freie Produzentinnen und keine Lohnarbeiterinnen und Erwerbslose, wären auch ihre Produkte keine Waren, sondern normale Gebrauchsgüter. Sie könnten ihre industriellen Gebrauchsgüter mit denen der Landbevölkerung ohne Geld austauschen, und es gäbe auch keinen Hunger mehr in den Städten. Außerdem könnte durch die gegenseitige Durchdringung und Solidarität untereinander der Widerspruch zwischen Stadt und Land aufgehoben werden. Die globale strukturelle Nahrungsmittelkrise ist also vom Landproletariat und den städtischen Unterschichten nur durch die soziale Weltrevolution zu lösen, welche das privatkapitalistische/kleinbürgerliche und staatskapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln und damit den Warencharakter der Nahrungsmittel aufhebt.

Plünderungsaktionen als „äußere“ Angriffe auf die Warenproduktion

Wir reden nicht abstrakt von der Weltrevolution, sondern wir sehen in den Straßenbewegungen der städtischen Unterschichten und im alltäglichen Klassenkampf der ArbeiterInnen der Lebensmittelproduktion bereits — wenn auch oft unbewusst – Tendenzen zur Aufhebung des Warencharakters von Nahrungsmitteln. Es ist also nicht die Aufgabe von RevolutionärInnen die Revolution zu predigen, sondern die unbewussten revolutionären Tendenzen des alltäglichen und außergewöhnlichen Klassenkampfes bewusst auszusprechen um damit den revolutionären Prozess zu radikalisieren. So sehen wir in den kollektiven Plünderungsaktionen städtischer Unterschichten, eine Tendenz zur Aufhebung der Warenproduktion — im Gegensatz zu allen bürgerlichen SpießerInnen (einschließlich der SozialdemokratInnen und MarxistInnen-LeninistInnen), die darin nur „kriminelle Akte“ von „Asozialen“ bzw. „LumpenproletarierInnen“ sehen. Mal abgesehen davon, dass sich hier der SpießerInnenhass gegen die Klasse der Ausgeschlossenen austobt, nehmen an kollektiven Plünderungsaktionen auch immer die untersten und radikalisiertesten Schichten der ArbeiterInnenklasse teil.

Potenzielle KundInnen denen das nötige Kleingeld fehlt für gewisse Produkte, verzichten nicht einfach darauf, sondern eignen sie sich an. Die angeeigneten Produkte verschwinden aus dem Kreislauf des Kapitals und sind kein Warenkapital mehr. Selbstverständlich können kollektive Plünderungsaktionen auch reaktionäre Tendenzen aufzeigen, sich zum Beispiel gegen religiös oder nationalistisch/rassistisch unterdrückte Minderheiten richten, aber welche Form des sozialen Widerstandes ist schon frei von reaktionären Tendenzen?! Wenn dann die zivilen Sicherheitskräfte des Handelskapitals, die staatlichen Bullen oder Militärs zur Verteidigung des Privateigentums anrücken und die Plünderungsaktionen in Straßenkämpfe münden, so geht die sehr handfeste und praktische Form der Kritik der Unterschichten am Warencharakter der Produkte in eine ebenso handfeste und praktische Staatskritik über. Solche Straßenkämpfe sind Schulen der Militanz, und werden immer auch Bestandteil der sozialen Weltrevolution sein, auch wenn die proletarische Militanz im Produktionsprozess das notwendige Gravitationszentrum des sozialen Widerstandes ist. Denn hier erfolgt der Angriff auf die kapitalistische Warenproduktion nicht von außen, sondern von innen heraus, direkt aus ihrem Herzen, der potenziell zu einem Herzinfarkt führen kann.
Solche kollektiven Plünderungsaktionen können in akuten Nahrungsmittelkrisen, in denen die Preise für Nahrungsmittel ansteigen, und zu einer Verschärfung der strukturellen Nahrungsmittelkrise der Unterschichten führt, zu größeren und breiteren Hungerrevolten oder Food Riots anwachsen, einer besonderen Form der Straßenbewegung. Sie besteht aus Demonstrationen, kollektiven Plünderungsaktionen und militanten Kämpfen mit der Staatsgewalt. Erwerbslose, die untersten Schichten der ArbeiterInnenklasse und des KleinbürgerInnentums sind die vorwärts treibenden Subjekte von Food Riots. Die Dynamik dieser militanten Straßenbewegung verschmilzt nicht selten mit der des ArbeiterInnenkampfes (Streiks, Betriebsbesetzungen).

Größere Food Riots entwickelten sich im 18./19. Jahrhundert in England und Frankreich. Durch den Anstieg der Arbeitsproduktivität, der Entwicklung des proletarischen Klassenkampfes und der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung sowie der sozialstaatlichen/zivilgesellschaftlichen Verwaltung des Elends der Unterschichten (Lebensmitteltafeln) wurde im 20.Jahrhundert in Westeuropa die strukturelle Ernährungskrise der unteren Schichten soweit entschärft, dass sie größeren Food Riots den Boden entzogen, während im staatskapitalistischen Polen die Erhöhung der Nahrungsmittelpreise ein wichtiger Auslöser des ArbeiterInnenkampfes gegen die herrschende Partei und Staatsbürokratie war. Mit dem Export der kapitalistischen Produktionsweise in den Trikont (Afrika, Asien und Lateinamerika) wurden auch die Food Riots als sozialer Protest der Unterschichten exportiert, die sich dort im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts ausbreiteten.

Im frühen 21. Jahrhundert, 2007/2008 kam es zu weltweiten Hungerrevolten. Sie breiteten sich auf nahezu 40 Länder aus, darunter in Afghanistan, Ägypten, Bangladesh, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Gabun, Guinea, Haiti, Honduras, Indien, Indonesien, Jemen, Kamerun, die Demokratische Republik Kongo, Marokko, Mauretanien, Mexiko, Mocambique, Sao Tome und Prinzipe, Senegal, Somalia, Tunesien und Usbekistan.

Auch wenn die weltweite akute Nahrungsmittelkrise im zweiten Halbjahr 2008 durch das Sinken der Nahrungsmittelpreise entschärft wurde blieben die doch relativ hoch. Die strukturelle Krise welche für die globalen Unterschichten im Warencharakter der Nahrungsmittelproduktion besteht, kann nur durch die soziale Weltrevolution aufgehoben werden. Die Food Riots im Trikont waren die selbstorganisierten Antworten der dortigen Unterschichten auf die akut verschärfte strukturelle Nahrungsmittelkrise, ihre oft noch instinktiven und unbewussten Angriffe auf die Warenproduktion von außen. Da mit zunehmender Verelendung des immer krisenanfälligeren Kapitalismus zu rechnen ist, sind Food Riots auch in Zukunft zumindest im Trikont hochwahrscheinlich.

Doch wie sieht es mit der Möglichkeit von Hungerrevolten in Westeuropa und in den USA aus? Weiter oben haben wir die Gründe erläutert, warum hier Food Riots als Form des sozialen Protestes im 20. Jahrhundert verschwunden sind. Nun kam es aber infolge der „neoliberalen“ Offensive der westeuropäischen und US-amerikanischen Bourgeoisie ab den späten 1970er Jahren zu einer verschärften Verelendung der Unterschichten und gleichzeitig zu einem Umbau des Sozialstaates, bei dem die Peitsche immer stärker das zunehmend trockenere Brot ersetzte. In Deutschland führten zum Beispiel die Arbeitsmarktreformen (besonders Hartz IV) zu einer massiven totalen Verelendung der Arbeitslosengeld-II-EmpängerInnen. Dieser verschärfte Angriff auf die Erwerbslosen war Teil einer Strategie, um die Reallöhne der Arbeiterinnenklasse weiter zu senken. Setzt sich dieser Trend der absoluten Verelendung in Westeuropa und in den USA fort, so sind in der Zukunft auch hier Food Riots möglich.

Die Aufhebung der Warenproduktion ist keine Utopie, sondern eine Notwendigkeit!

Doch viel bedeutender als die Hungerrevolten sind für die Aufhebung des Warencharakters der Nahrungsmittelproduktion die globalen „illegalen“ Aneignungsaktionen von den lohnabhängig Beschäftigten in der Nahrungsmittelproduktion und Handel. Während die Food Riots mit ihren potenziellen und tendenziellen Ansätzen zur Aufhebung der Warenproduktion von außen erfolgen, führt die globale ArbeiterInnenklasse im alltäglichen Klassenkampf am Arbeitsplatz seine noch oft instinktiven und sehr lokal begrenzten Angriffe auf die Ware-Geld-Beziehung von innen heraus.

Besonderes Gewicht bei der potenziellen und tendenziellen Aufhebung des Warencharakters von Nahrungsmitteln durch die Lohnabhängigen in der Lebensmittelproduktion und im Handel bilden jene Aktionen, die sich gegen die Vernichtung der kapitalistischen Überproduktion von Nahrungsmitteln richtet. Hier steht die wahnsinnige Logik der Kapitalvermehrung gegen die soziale Rationalität der ArbeiterInnen. Aus kapitalistischer Sicht ist es aber logischer die Überproduktion, also Waren, die nicht verkauft werden können, zu vernichten, als kostenlos an jene Menschen zu verteilen, die sich diese Waren nicht leisten können. Denn das würde einen Druck auf die Preise ausüben. Für viele ArbeiterInnen ist es hingegen nicht nachvollziehbar, dass unverkäufliche Lebensmittel vernichtet werden sollen, während sie gleichzeitig für alles bezahlen sollen. Also eignen sich nicht wenige Lohnabhängige den Müll der Kapitalverwertung an — oft gegen die Repression der Bosse welche sogar den noch benutzbaren „Müll“ gegen die Ansprüche der ArbeiterInnenklasse verteidigen.

Hier die Schilderung eines Kellners, der bei einer Catering-Firma beschäftigt war: „Ich hatte ein massives Problem mit der ganzen Wegschmeißerei. Und so kam es immer wieder zu Diskussionen mit den Herren Cateringchefs. Ihr Totschlag-Argument hieß: Hygienevorschriften. Du hast ja keine Ahnung, was für Unmengen an Essen da im Müll landeten. Die feinsten Sachen! Nur weil statt hundert eben nur fünfzig Gäste gekommen waren. (…) Einmal war so ein Abend, wo sich die Modebranche selbst feierte, und weil alle hübsch schlank bleiben wollten (vielleicht waren auch weniger gekommen) keine Ahnung, blieben Massen an lockeren Brötchen übrig, hunderte! Und wie es ans Wegschmeißen ging, stellte ich mich plötzlich quer: „Stopp! Nein! Das schmeißen wir aber jetzt nicht weg!“, sagte ich und hatte auch schon eine Idee: „Wir verteilen das am Bahnhof drüben!“ Da waren an dem Abend drei Kolleginnen und ein Kollege, mit denen ich mich sehr gut verstand, die unterstützten mich voll. Der von der Catering-Firma, so ein Unterchef, war ein unsicherer Typ. Nein, das könne er nicht zulassen. sagte er, aber wir taten so, als ob wir ihn nicht hörten, und schon waren wir draußen mit den Tabletts und Kartons. Wir verteilten die Brötchen, mitten in der Nacht. Am Bahnhof von N., ganz adrett, die Boys mit Fliege, die Girls mit schwarzem Röckchen und weißer Bluse. Allen servierten wir Brötchen, den Pennern, den Punks, den Typen vom Schwulenstrich, den Reisenden, der Bahnaufsicht, den Taxifahrern, den Busfahrern. ‘Bitte, greifen Sie zu! Nehmen Sie! Ein zweites, ein drittes, alles Gratis! Heute ist der UNESCO-Welttag der belegten Brötchen!“ Das war die eindeutig beste Aktion in meiner ganzen Catering-Laufbahn (Zitiert nach Bernhard Halmer, Peter A. Krobath, Lexikon der Sabotage, 5. 37.)

Im oben geschilderten Beispiel setzten die Catering-ArbeiterInnen soziale Rationalität gegen die wahnsinnige Logik der Kapitalvermehrung, nämlich die Vernichtung der Überproduktion von Nahrungsmitteln bei der gleichzeitigen Existenz von Hunger und Mangelernähung durch. Sie widersetzten sich der irren Logik der Warenproduktion, nach der es besser ist Lebensmittel zu vernichten, als sie kostenlos zu verteilen Sie gaben uns allen ein Beispiel, wie die Warenproduktion aufzuheben ist: „Einfach“ nicht auf die Chefs hören und die soziale Rationalität gegen sie durchsetzen!

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