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Neue Broschüre: Der Kampf des jüdischen Proletariats (1900-1945)

Unsere neue Broschüre: „Der Kampf des jüdischen Proletariats (1900-1945)“ (ca. 113 Seiten) von Soziale Befreiung (Hg.) ist da. Die Broschüre könnt ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.

Inhalt

Einleitung

I. Die so genannte „jüdische Frage“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

1. Das Judentum und der Antijudaismus
2. Die Nichtassimilation der Jüdinnen und Juden in Osteuropa
3. Die jüdische Emigration aus Osteuropa
4. Der Zionismus
5. Der sozialrevolutionäre Universalismus und die nationalen institutionalisierten ArbeiterInnenbewegungen
6. Die jüdische institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung
7. Faschismus, jüdischer Widerstand und Zionismus
8. Der kapitalistisch-industrielle Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden
9. Auschwitz und die Staatsgründung Israels
10. Den toten jüdischen ProletarierInnen lebendig gedenken

II. Der Kampf des jüdischen Proletariats in Russland

1. Der Zarismus, das jüdische Proletariat und der Zionismus
2. Antijudaismus und Zionismus im russischen BürgerInnenkrieg (1918-1921)

III. Der Kampf des jüdischen Proletariats in Polen (1918-1945)

1. Jüdisches Proletariat und Zionismus in Polen (1918-1939)
2. Das jüdische Proletariat und der polnische Zionismus unter der faschistischen Besatzung (1939-1945)

I. Die so genannte „jüdische Frage“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Um den Kampf des jüdischen Proletariats in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu verstehen, ist es notwendig sich die so genannte „jüdische Frage“ in diesem Zeitraum zu veranschaulichen.

1. Das Judentum und der Antijudaismus

Das alte Judentum stellte historisch ein vorindustriekapitalistisches Handelsvolk dar, dessen sozialökonomische Basis sich auch in der jüdischen Religion widerspiegelte, so ähnlich wie die materielle Lebensweise der christlichen Handelsbourgeoisie sich im Calvinismus ideologisch widerspiegelte. In der ständischen Gesellschaft des europäischen Feudalismus wurde der Charakter des Judentums als vorindustriekapitalistischem Handelsvolk verrechtlicht und zementiert. Die jüdische Religionsgemeinschaft hob sich durch ihre wachsende Isolation immer stärker von den von ihnen umgebenden Gesellschaften ab. Zwischen 1099 und 1291 wurde die jüdische Bevölkerung in Palästina durch Kreuzfahrer und Seldschuken dezimiert. Seit dem 13. Jahrhundert erfolgte die zwangsweise Ansiedlung in geschlossene Stadtviertel (Judengasse, Judenviertel, Judenquartier, Ghetto) Im feudalen Westeuropa waren die Juden im Mittelalter aus dem Wirtschaftsleben ausgeschlossen. Sie durften kein Land kaufen und wurden den Handwerkszünften ferngehalten. Da es den ChristInnen von der Kirche verboten war Zins für geliehenes Geld einzutreiben, betrieben die Juden auch im Auftrag und Interesse der Feudalherren und der Kirche Geldspekulationen. Zum „Dank“ wurden die Juden dann von der damaligen herrschenden Klasse zum Sündenbock für die Misswirtschaft gemacht. Das Herrschaftssystem wurde reingewaschen, indem auf den gierigen, „schmutzigen“ Juden hingewiesen wurde. Die Judenverfolgung hatte also auch schon damals einen rationalen, herrschaftssichernden Charakter.
Schon im jungen BürgerInnentum entwickelte sich ein zunehmender Konkurrenzkampf zwischen einheimischen StädterInnen und den Juden. In dem Maße, wie sich in den feudal-bürgerlichen Gesellschaften eine christliche Handelsbourgeoisie, welche auch den Geldhandel betrieb, entwickelte, konnten die Juden aus dem Handel verdrängt und vorübergehend vertrieben werden. Vorher nicht, weil das schwerwiegende sozialökonomische Folgen gehabt hätte. So wurden die Juden in den Jahren 1182, 1268 und 1306 aus Frankreich vertrieben. Die Juden wurden also als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk mit der Entwicklung einer christlichen Handelsbourgeoisie zunehmend verdrängt und nach Osteuropa vertrieben. Die Pest von 1348-51 wurde in ganz Europa zu einer barbarischen Judenverfolgung zum Anlass genommen. Sie forderte Zehntausende von Opfern und führte zu einer starken Auswanderung, besonders von Deutschland nach Polen. Joachim Kahl bemerkt zu Recht: „So umfassend wurden die Juden ausgerottet, dass die Katastrophe dieser Jahre auf faschistische Pogrome unter Hitler vorausweist.“ (Joachim Kahl, Das Elend des Christentums, 1968/1993 by Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, S. 48.)
Selbstverständlich gab es große Unterschiede zwischen dem feudalen und dem kapitalistischen Antijudaismus. Doch die ideologische Verknüpfung zwischen beiden schuf der Kirchenreformator und Judenhasser Luther. Der Kirchenreformator schrieb in seiner Schrift Von den Juden und ihren Lügen im Jahre 1543: „Erstlich, dass man ihre Synagoga oder Schule mit Feuer anstecke, und was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch ein Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich … Zum andern, dass man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre… Zum dritten, dass man ihnen nehme alle ihre Betbüchlein und Talmudisten… Zum vierten, dass man ihren Rabbinern bei Leib und Seele verbiete hinfort zu lehren…, dass man ihnen verbiete, bei uns und dem Unsern öffentlich Gott zu loben, zu danken, zu beten, zu lehren, bei Verlust Leibes und Lebens… Und nochmals, dass ihnen verboten werde, den Namen Gottes vor unsern Ohren zu nennen…, der Juden Maul soll nicht wert gehalten werden bei uns Christen, dass es Gott sollte vor unseren Ohren nennen, sondern, wer es von den Juden hört, dass er`s der Obrigkeit anzeige oder mit Saudreck auf ihn werfe… Zum fünften, dass man den Juden das Geleit und Straße ganz und gar aufhebe… Zum sechsten, dass man ihnen den Wucher verbiete und nehme ihnen alle Barschaft und Kleinode an Silber und Gold, und lege es beiseite zu verwahren… Zum siebten, dass man den jungen, starken Juden und Jüdinnen in die Hände gebe Flegel, Axt, Spaten… und lasse sie ihr Brot verdienen im Schweiße der Nasen…“(Zitiert nach Hans-Joachim Kraus, Kirche und Synagoge, in: Das Judentum in Geschichte und Gegenwart. Eine Vorlesungsreihe. Hamburg 1961, S. 45 f.) Luther war bekannt für seine Polemiken gegen den (jüdischen) Wucher. Der Herausgeber der Nazizeitung Der Stürmer, Julius Streicher, berief sich also nicht zu Unrecht vor dem internationalen Militärgerichtshof 1946 auch auf Luther.
Die evangelische Reformation des Christentums war eine bürgerliche Veränderung der Religion, als ideologischer Überbau des damaligen Handels- und Manufakturkapitalismus, der sich im Schoße der feudalen Gesellschaft entwickelte. Die Reformation in Deutschland war also ein ideologischer Ausdruck der sozialen Emanzipationsbestrebungen der deutschen Bourgeoisie gegenüber der Feudalgesellschaft. Luther war der Ideologe der sich entwickelnden deutschen Bourgeoisie. Die Bourgeoisie stand zwischen feudaler Reaktion und der antifeudalen und in Ansätzen schon antibürgerlichen kleinbürgerlich-vorindustrieproletarischen Straßenbewegung. So lange sie nicht die sozialökonomische und politische Macht besaß, gegen feudale Reaktion und antifeudal-antibürgerliche Straßenbewegung die Staatsmacht zu ergreifen, unterstützte die Bourgeoisie die erstere gegen die letztere, wenn diese zu radikal auftrat. Das geschah auch im deutschen BäuerInnenkrieg (1524-1526), wo sich die deutsche Bourgeoisie mit der feudalen Reaktion gegen die aufständischen BäuerInnen und das damalige Land- und Stadtproletariat verbündete. Dieses Bündnis wurde auch von Luther ideologisch in seiner Hetze gegen die aufrührerischen BäuerInnen reproduziert. Seinen Antijudaismus und seine Hetze gegen die kleinbürgerlich-vorindustrieproletarische Straßenbewegung kann mensch also als feudal-bürgerliche Sozialreaktion bezeichnen.
In England und Frankreich entwickelte sich die jeweilige Bourgeoise zu einer so starken sozialökonomischen und politischen Macht, dass sie im 17. Jahrhundert (England) und Ende des 18. Jahrhunderts (Frankreich) gegen feudale Sozialreaktion und die antifeudal-antibürgerliche Straßenbewegung die Staatsmacht erobern konnte. Besonders die Französische Revolution enthielt mit der verwirklichten rechtlichen Gleichheit bei sozialer Ungleichheit, bei der also ein Milliardär und ein Obdachloser beide das gleiche Recht haben, unter einer Brücke zu schlafen, auch die Möglichkeit der Integration des Judentums in den modernen Kapitalismus. Bei dieser Integration musste sich das alte Judentum als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk in die drei Hauptklassen der bürgerlichen Gesellschaft –Bourgeoisie, KleinbürgerInnentum und Proletariat – auflösen. Diese Integration fand auch mehr oder weniger stark ausgeprägt in Westeuropa des 19. Jahrhunderts statt. Der Antijudaismus behinderte diese Integration.
Diese weitgehende Assimilation war in Osteuropa auf Grund der sozialökonomischen Schwäche des Kapitalismus nicht möglich (siehe dazu Kapitel I.2), was zu einer wachsenden Emigration osteuropäischer Jüdinnen und Juden führte. Das führte in Westeuropa bereits vor 1914, aber besonders zwischen den beiden Weltkriegen überwiegend im KleinbürgerInnentum zu einem massiven Anwachsen des Antijudaismus (siehe Kapitel I.3). Der Antijudaismus des 20. Jahrhunderts war nicht mehr vorwiegend religiös geprägt, sondern er wurde rassistisch. Aber nach wie vor war er an den negativen Geldfetischismus geknüpft. Dadurch wurde der Antijudaismus im 20. Jahrhundert zu einer bewusst-unbewussten Form der Sozialdemagogie, da im modernen Kapitalismus das zinstragende Kapital schon lange nicht mehr vorwiegend jüdisch war und ist. Unbewusst nennen wir diese antijüdische Sozialdemagogie insofern, weil den antijüdischen KleinbürgerInnen der sozialpsychologische Mechanismus des Antijudaismus nicht bewusst war –auch den hauptberuflichen DemagogInnen nicht. Alle Menschen sind im Kapitalismus gezwungenermaßen mehr oder weniger „geldgierig“, da in der alles andere dominierenden Ware-Geld-Beziehung das Geld das unmittelbare Tauschmittel ist, mit dem der stoffliche Reichtum der Gesellschaft eingetauscht werden kann und muss. Durch den Antijudaismus können nichtjüdische KleinbürgerInnen ihre eigene notwendigerweise existierende Geldgier auf „die Geldjuden“ projizieren.
Auch der fanatische und massenmörderische Judenhass der Nazis wurde unter anderem vom negativen Geldfetischismus genährt. Obwohl im damaligen Kapitalismus das Finanzkapital schon lange nicht mehr ausschließlich jüdisch war, wurde es von den Nazis in ihrer sozialen Demagogie so dargestellt und rassistisch begründet. Für die Nazis waren die Juden eine geldgierige Rasse. Hier ein Zitat von Hitler, was das ziemlich gut veranschaulicht. So schrieb er am 16. September 1919: „Der Antisemitismus als politische Bewegung darf nicht und kann nicht bestimmt werden durch Momente des Gefühls, sondern durch die Erkenntnisse von Tatsachen. Tatsachen aber sind: Zunächst ist das Judentum unbedingt Rasse und nicht Religionsgemeinschaft. Und der Jude selbst bezeichnet sich nie als jüdischen Deutschen, jüdischen Polen oder etwa jüdischen Amerikaner, sondern stets als deutschen, polnischen oder amerikanischen Juden. Noch nie hat der Jude von fremden Völkern, in deren Mitte er lebt, viel mehr angenommen als die Sprache. Und damit ergibt sich die Tatsache, dass zwischen uns eine nichtdeutsche, fremde Rasse lebt, nicht gewillt und auch nicht imstande, ihre Rasseneigenarten zu opfern, ihr eigenes Fühlen, Denken und Streben zu verleugnen, und die dennoch politisch die gleichen Rechte besitzt wie wir selber. Bewegt sich schon das Gefühl des Juden im rein Materiellen, so noch mehr sein Denken und Streben. Der Tanz ums Goldene Kalb wird zum erbarmungslosen Kampf um alle jene Güter, die nach unserem inneren Gefühl nicht die höchsten und einzig erstrebenswerten auf dieser Erde sein sollen.
Sein Mittel zum Kampf ist jene öffentliche Meinung, die nie ausgedrückt wird durch die Presse, wohl aber immer durch sie geführt und gefälscht wird. Seine Macht ist die Macht des Geldes, dass sich in Form des Zinses in seinen Händen mühe- und endlos vermehrt, und den Völkern jenes gefährlichste Joch aufzwingt, dass sie seines anfänglichen goldenen Schimmers wegen so schwer in seinen späteren traurigen Folgen zu erkennen vermögen. Alles was Menschen zu Höherem streben lässt, sei es Religion, Sozialismus, Demokratie, es ist ihm alles nur Mittel zum Zweck, Geld- und Herrschgier zu befriedigen. Sein Wirken wird in seinen Folgen zur Rassentuberkulose der Völker.“ Hier sehen wir deutlich, wie der Kleinbürger Hitler den negativen Geldfetischismus mit der „wissenschaftlichen Rassenlehre“ verknüpfte.
Der antijüdische negative Geldfetischismus wurde von den Nazis in einen völkischen „Antikapitalismus“ transformiert, der zwischen „arischen“ schaffenden Kapital und jüdischen „raffenden“ Kapital unterschied. Dabei konnte der deutsche Faschismus an die sonstige bürgerliche Ideologieproduktion anknüpfen, unter anderem vom Mythos des „produktiven“ Kapitals im Gegensatz zum Geldkapital. Indem der moderne Industriekapitalist zur Vermehrung seines Kapitals beim Bankkapital einen Kredit aufnimmt, muss der Profit, welcher vom Proletariat produziert wird, zwischen Industrie- und Bankkapital geteilt werden. Die Zinsen für den Kredit zahlt der Industriekapitalist aus dem Profit. Industrielles und zinstragendes Kapital leben also beide von der Ausbeutung des Proletariats, welches den Profit produziert. Produktiv ist weder der Industrie- noch der Bankkapitalist, sondern das Proletariat. Der bürgerliche Mythos vom „produktiven“ Industriekapitalisten im Gegensatz zum „raffenden“ Bankier verschleiert also die kapitalistische Ausbeutung des Proletariats. Dieser Mythos muss nicht zwangsläufig eine ideologische Begründung des Antijudaismus liefern, aber im konkreten Fall der Nazis und vieler anderer Judenhasser tat er es. Es ist aber sachlich falsch, wenn linke WertkritikerInnen und „Antideutsche“ die ideologische Gegenüberstellung von „produktivem“ Kapital und Geldkapital generell als „strukturellen Antisemitismus“ bezeichnen. Antijüdisch wird diese ideologische Gegenüberstellung nur dann, wenn das moderne zinstragende Geldkapital sozialdemagogisch mit dem Judentum gleichgesetzt wird, so wie es der europäische Antijudaismus sehr massenwirksam zwischen 1929 und 1945 tat.
Der faschistische Antijudaismus nahm, nachdem er von der deutschen Bourgeoisie 1933 an die politische Macht gebracht wurde, die relativ weitgehende Assimilation der deutschen Juden und Jüdinnen zurück und organisierte während des Zweiten Weltkrieges einen kapitalistisch-industriellen Massenmord an den europäischen Juden (siehe Kapitel I.8).
Der jüdische Nationalismus, der Zionismus (siehe zu diesem Kapitel I.4), schuf im Jahre 1948 einen Nationalstaat (siehe Kapitel I.9). Dieser jüdische Nationalstaat ist so wie jeder andere grundsätzlich sozialreaktionär. Ja, der Zionismus war eine sozialreaktionäre Lösung der so genannten „jüdischen Frage“, indem er eine „palästinensische Frage“ schuf. Das alte Judentum als vorindustriekapitalistisches Handelsvolk existiert heute nicht mehr. Es ist vollständig in die drei Hauptklassen der bürgerlichen Gesellschaft aufgespalten. Das Judentum ist heute in den modernen Kapitalismus und die internationale imperialistische Weltordnung integriert. In Israel bildet es eine Staatsnation. In den meisten bürgerlichen Nationalstaaten sind die Juden und Jüdinnen weitgehend assimiliert und bilden eine anerkannte Religionsgemeinschaft. Doch es gibt noch immer Antijudaismus, sowohl in Europa als auch in arabischer Form. Der arabische Antijudaismus ist typischer Chauvinismus des völkisch-nationalen Konkurrenzkampfes, der teilweise auch ideologisch an den „alten“ europäischen Antijudaismus anknüpft. Der Kampf gegen Antijudaismus und Zionismus bleibt also eine wichtige Aufgabe für SozialrevolutionärInnen überall auf der Welt (siehe Kapitel I.10).

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