Klassenkämpfe in Spanien (1931-1936)

Wir veröffentlichen hier den zweiten Teil des Textes „Der spanische BürgerInnenkrieg als innerkapitalistischer Konflikt“ aus der Broschüre „Der spanische BürgerInnenkrieg (1936-1939)“. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de bestellen.

Bewaffnete Bergarbeiter während des proletarischen Aufstandes in Asturien. Oktober 1934

Klassenkämpfe in Spanien (1931-1936)

Nach unserem kurzen Einblick in die Geschichte des spanischen Kapitalismus, wollen wir nun die Klassenkämpfe zwischen dem Ausrufen der Republik und den Putsch der Generäle etwas genauer beschreiben. Wir werden bereits in diesem Kapitel die Parteien und Gewerkschaften der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung einer radikalen Kritik unterziehen. Dabei versuchen wir auch zu beschreiben, wie aus unserer heutigen Sicht wirklich sozialrevolutionäre Gruppen und Strömungen sich hätten verhalten müssen. Diese Darstellung zeigt uns als proletarische RevolutionärInnen im Gegensatz zu den ordentlich bezahlten BerufswissenschaftlerInnen. Allerdings ist diese Herangehensweise auch nicht unproblematisch. Nicht etwa deshalb, weil unsere heutige Position es damals überhaupt nicht gegeben hätte. Doch, das Fundament unserer heutigen revolutionären Positionen gab es damals schon, verkörpert im parteien- und gewerkschaftsfeindlichen Rätekommunismus und in der scharfen Demokratie- und Antifaschismus-Kritik des parteienförmigen italienischen Linkskommunismus. Wie wir an Hand von Originalzitaten von Links- und RätekommunistInnen in unserer Schrift Die antifaschistische Volksfront gegen das Proletariat nachweisen werden, bezogen diese auch in den Grundfragen damals Positionen, die wir auch heute beziehen. Doch in Spanien gab es diese Strömungen eben nicht. Die Nichtexistenz links- oder rätekommunistischer Strömungen ist durchaus ein Ausdruck des Klassenkampfes und des Klassenbewusstseins des damaligen Proletariats in Spanien gewesen. Es ist also nicht unproblematisch, wenn wir das nach unserer heutigen Meinung notwendige Verhalten von damals nicht in Spanien vorhandenen bewusst revolutionären Strömungen zu umschreiben versuchen. Aber wir tun das trotzdem, eben weil wir keine kleinbürgerlichen Stubengelehrten, sondern proletarische RevolutionärInnen sind. Auch wollen wir damit den Verleumdungen der ReformistInnen aller Schattierungen, wir seien unpraktische, nur Ideologie produzierende SektiererInnen, entgegentreten.
Es gab also im Jahre 1931, als der spanische Kapitalismus seine politische Herrschaftsform von der Monarchie zur demokratischen Republik transformierte, keine zielklare sozialrevolutionäre Strömung, die mit einer radikalen und materialistischen Politik- und Demokratie-Kritik den Illusionen in der ArbeiterInnenklasse entgegengetreten und mit einer eindeutigen Orientierung auf den selbstorganisierten Klassenkampf und dessen militanter Form, der proletarischen Diktatur, diesem klare Impulse gegeben hätte. Es gab nur eine institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung mit ihren parteimarxistischen und anarchosyndikalistischen Organisationen und Ideologien, die zwischen reaktionärem Sozialreformismus und organisationsegoistischen SektiererInnentum hilflos hin und her schwankte. Während die parlamentarisch-sozialreformistische Sozialistische Partei 1931 zusammen mit republikanischen Parteien eine Regierungskoalition bildete, also offen konterrevolutionär agierte, befand sich die P„C“E wie die gesamte moskauhörige „Kommunistische“ Internationale in der so genannten „Dritten Periode“. Während dieser Zeit verhüllte der offizielle Partei-„Kommunismus“ seinen grundsätzlich sozialreaktionär-staatskapitalistischen Charakter mit einem Verbalradikalismus, der sich geistig auf einem sehr niedrigen Niveau befand. Die StalinistInnen waren darin strukturell unfähig die Sozialdemokratie materialistisch-revolutionär zu kritisieren, dafür beschimpften sie diese total schwachsinnig als „sozialfaschistisch“. Sie lehnten auch organisationsegoistisch jede Zusammenarbeit mit den anderen Organisationen der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung ab. Dadurch nahmen sie an der politischen Spaltung des Proletariats teil.
Um nicht missverstanden zu werden: Wir SozialrevolutionärInnen treten nicht für eine Einheitsfront der Parteien und Gewerkschaften der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung ein, sondern für die soziale Aktionseinheit des klassenkämpferischen Proletariats. SozialrevolutionärInnen müssen an allen reproduktiven Klassenkämpfen des Proletariats teilnehmen, aber sie dürfen keine offiziellen Bündnisse mit den Parteien und Gewerkschaften der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung eingehen. Sie nutzen die Radikalisierung ihrer KollegInnen und Klassengeschwister durch den Klassenkampf, um durch eine interaktive Kommunikation diese Radikalisierung des Proletariats zu verstärken. SozialrevolutionärInnen nehmen am reproduktiven Klassenkampf teil, um dessen revolutionären Tendenzen zu stärken, aber nicht um sich an das sozialreformistische Bewusstsein des Proletariats und an die institutionalisierte ArbeiterInnenbewegung anzupassen. Sie führen einen kompromisslosen Kampf gegen alle Parteien und Gewerkschaften und für unabhängige Organe des selbstorganisierten Klassenkampfes – unabhängige Streikkomitees, ArbeiterInnenräte, Vollversammlungen, ArbeiterInnenmilizen…
Die soziale Aktionseinheit des klassenkämpferischen Proletariats hat also nicht das Geringste mit der „kommunistischen“ Einheitsfrontpolitik mit sozialdemokratischen Parteiapparaten zu tun, gegen die in den ersten Jahren der „Kommunistischen“ Internationale Links- und RätekommunistInnen kämpften. Aber natürlich konnte sich die bolschewistische Bürokratie unter Lenin/Trotzki gegen die RevolutionärInnen durchsetzen. Doch die bolschewistische Konterrevolution gegen die ArbeiterInnenräte als Ausdruck des selbstorganisierten Klassenkampfes führte schließlich zu einer innerbürokratischen Reaktion, in deren Verlauf Stalin alle anderen Altbolschewiki von der Macht verdrängte – unter anderem auch Trotzki. Dadurch wurde letzterer, ein einstiger hoher staatskapitalistischer Bürokrat, wieder ein kleinbürgerlicher Radikaler, der hilflos zwischen kapitalistischer Sozialreaktion und proletarischem Klassenkampf hin und her schwankte. Das gilt für die gesamte politische Bewegung, die er anführte und die nach ihm benannt wurde, dem Trotzkismus. Auch in Spanien existierte Anfang der 1930er Jahre eine kleine trotzkistische Gruppe, die so genannten Linken „Kommunisten“, die von Andres Nin geführt wurden. Trotzki trat in den 1930er Jahren für eine politische Einheitsfront der StalinistInnen, TrotzkistInnen, SozialistInnen und AnarchosyndikalistInnen ein. Besonders bei den StalinistInnen biederte sich Trotzki in dieser Zeit stark an. Er kämpfte in den frühen 1930er Jahren in Spanien für eine politische Vereinigung von StalinistInnen und TrotzkistInnen in einer „kommunistischen“ Partei. Des Weiteren trat der einstige bolschewistische Machthaber für eine verschärfte demokratische Ideologie-Produktion ein. Die vorhandene Demokratie sollte mal wieder „demokratisiert“ werden. Der Trotzkismus war also ebenfalls in der Praxis eine parlamentarisch-sozialreformistische Strömung, welche die Illusionen des Proletariats in die realexistierende Demokratie als Diktatur des Kapitals nur reproduzieren konnte. „Langfristig“ trat der Trotzkismus zwar auch in Spanien für eine Diktatur des Proletariats ein, doch er verstand und versteht darunter – wie fast alle marxistischen Strömungen – ein „ArbeiterInnenstaat“, also eine staatskapitalistische Diktatur gegen das Proletariat.
Wir nachmarxistischen und nachanarchistischen KommunistInnen verstehen unter der proletarischen Diktatur den militanten Kampf gegen Kapital und Staat, dessen Höhepunkt die Zerschlagung des Staates ist – darauf folgt dann die klassen- und staatenlose Gesellschaft, die natürlich nicht dauerhaft in ein Land oder auf ein Kontinent beschränkt bleiben darf. Die Weltrevolution kann nur eine Kette der Zerschlagungen der kapitalistischen Nationalstaaten sein. Mit den Staaten muss auch die Warenproduktion als Quelle von Kapital und Lohnarbeit aufgehoben werden. Sowohl die meisten marxistischen als auch anarchistischen Strömungen hatten keine klaren Vorstellungen von der sozialen Revolution, wie in unserer weiteren Darstellung noch deutlich wird. Am nächsten kam der Rätekommunismus einer klaren sozialrevolutionären Strömung, der aber in Spanien nicht existierte. Damit fehlte die wichtigste subjektive Voraussetzung einer siegreichen sozialen Revolution: eine zielklare bewusste sozialrevolutionäre Strömung. Diese ist als Rätekommunismus während der revolutionären Nachkriegskrise in Deutschland und Holland entstanden. Dass in Spanien der 1930er Jahre eine solche bewusste sozialrevolutionäre Strömung nicht entstand, zeigt unter anderem, dass der Klassenkampf in diesem Land reproduktiv blieb, es also keine soziale antikapitalistische Revolution gab, auch wenn einige MarxistInnen und AnarchistInnen dies behaupten.
Neben den StalinistInnen und TrotzkistInnen gab es in Spanien noch die rechts-„kommunistische“ Organisation Katalanisch-Balearische „Kommunistische“ Föderation, die sich später in Arbeiter- und Bauernblock umbenannte. Diese Organisation betrieb eine noch seichtere kleinbürgerlich-demokratische Ideologie-Produktion als der Trotzkismus. So forderten die Rechts-„KommunistInnen“: „Die Republik muss nicht nur für die Bourgeoisie, sondern auch für die Arbeiter ein Sieg sein.“ (Zitiert nach Leo Trotzki, Die Plattform der Katalonischen Föderation, in: Leo Trotzki, Revolution und Bürgerkrieg in Spanien 1931-39, Band 1 1931-1936, Frankfurt/Main 1986, S. 123.) Die demokratische Republik konnte auch in Spanien nichts anderes sein, als ein Ausdruck des erfolgreichen Klassenkampfes von oben. Der Sieg des Proletariats konnte und kann nur ein Sieg gegen die Demokratie wie alle anderen bürgerlichen Staatsformen sein – und nach diesem Sieg gibt es weder den Staat noch das Proletariat. Das letztere muss die Warenproduktion aufheben und den Staat zerschlagen, wenn es sich sozial befreien will.
Auch der spanische Anarchosyndikalismus war keine bewusste sozialrevolutionäre Strömung, was er als Gewerkschaftsideologie auch objektiv nicht sein konnte. Der Anarchosyndikalismus glaubte eine Gewerkschaftsorganisation geistig zu beherrschen und zu kontrollieren. In Wirklichkeit wurde er von den allgemeinen Entwicklungstendenzen der Gewerkschaftsorganisation beherrscht und kontrolliert. Gewerkschaften sind bürokratisch und ideologisch entfremdete Organe des reproduktiven Klassenkampfes. Zuerst wollten die AnarchosyndikalistInnen eine revolutionäre Massen-Gewerkschaft in einer nichtrevolutionären Situation aufbauen, die sich weitgehend vom reproduktiven Klassenkampf fernhält. Das ist aber unmöglich. So lange die Mehrheit des Proletariats ein reformistisches Bewusstsein hat, kann der Klassenkampf nicht seine reproduktiven Grenzen sprengen und sich in die revolutionäre Selbstaufhebung des Proletariats transformieren. Die CNT wurde durch den Druck ihrer proletarischen Basis dazu gezwungen, den reproduktiven Klassenkampf zu organisieren. So wurde die CNT gegen den Willen der anarchosyndikalistischen Ideologie durch die objektiven Gesetzmäßigkeiten zu einer Organisation des reproduktiven Klassenkampfes und als Gewerkschaftsorganisation reproduzierte sie die Klassenspaltung in eine bürgerlich-bürokratische Führung und eine proletarische Basis. Im Verlauf der weiteren Ereignisse integrierte sich diese Führung in das spanische Nationalkapital und wurde offen konterrevolutionär. Die Entwicklung der CNT verlief zwar im Gegensatz zu den anarchosyndikalistischen Prinzipien – aber völlig im Einklang mit den allgemeinen Entwicklungstendenzen der Gewerkschaftsbewegung. Das, was in der anarchosyndikalistischen Ideologie-Produktion tendenziell progressiv war – die antipolitisch-antiparlamentarischen und staatsfeindlichen Tendenzen – musste schließlich bei einer radikalen Zuspitzung des Klassenkampfes von den allgemeinen sozialreaktionären Entwicklungstendenzen der Gewerkschaftsbewegung geschluckt und ausgespuckt werden. Das ist die Dialektik der Entwicklung der CNT. Bereits vor dem spanischen BürgerInnenkrieg schwankte die CNT zwischen SektiererInnentum und Opportunismus, wie wir in diesem Kapitel noch darstellen werden.
Hätte es in Spanien eine organisierte und zielklare rätekommunistische Strömung gegeben, so hätte diese am Anfang nur sehr klein sein können. Mit einer richtigen Orientierung auf den Klassenkampf hätte sie aber mit diesem wachsen können – um dann in richtigen Augenblicken und Situationen wichtige Impulse für die Radikalisierung des Proletariats geben zu können. In einer Periode verschärften Klassenkampfes können auch kleine revolutionäre Strömungen extrem schnell wachsen. Das hochleben lassen von Spontaneität und Klasseninstinkt – eine Spezialität des Niedergangs-Rätekommunismus nach dem Zweiten Weltkrieg –, war dem damaligen Rätekommunismus fremd. Zwar wurden die Bedeutung von Instinkt und Spontaneität für die Entwicklung des Klassenkampfes erkannt, aber eben auch die Bedeutung einer klaren sozialrevolutionären Theorie für die revolutionäre Praxis. Die große Bedeutung von Instinkt und Spontanität für den Klassenkampf rührt daher, dass die ProletarierInnen nicht die Produktionsverhältnisse geistig und praktisch beherrschen, sondern das Handeln des Proletariats von den Notwendigkeiten der blinden Kapitalvermehrung – welche auch die Bourgeoisie als Charaktermaske dieser Kapitalvermehrung beherrscht – bestimmt wird. Spontaneität und Instinkt haben deshalb eine so große Bedeutung, weil bewusstes menschliches Handeln unter der totalitären Diktatur der überwiegend blinden Marktbewegungen – die die ganze bürgerliche Gesellschaft beherrschen, aber von letzterer nicht beherrscht werden können – nur eine relativ geringe Rolle spielen kann. So bestimmten die Notwendigkeiten der Kapitalvermehrung auch in Spanien den Klassenkampf. Gerade in Folge der Weltwirtschaftskrise konnte ein relativ schwaches Nationalkapital nur in der forcierten Ausbeutung des Proletariats den Ausweg sehen. Getrieben von den eigenen materiellen Bedürfnissen musste und wollte das Proletariat Gegenwehr leisten, was wiederum bei der spanischen Bourgeoise das Bedürfnis weckte, den proletarischen Klassenkampf mit eiserner Faust niederzuschlagen. Diesem verschärften Klassenkampf von oben hätte das Proletariat nur mit einer zielklaren revolutionären Gegenoffensive kontern können. Diese revolutionäre Zielklarheit ist ohne organisierte bewusste sozialrevolutionäre Kraft, die mit der Verschärfung des Klassenkampfes wächst und gedeiht, unmöglich…
Das bewies auch der Verlauf des Klassenkampfes in Spanien eindeutig. Die republikanisch-sozialistische Regierung (1931-1933) war aufgrund der Tatsache, dass sie ein Machtapparat der Bourgeoisie war und die Bourgeoisie mit den GroßgrundbesitzerInnen sozial fest verschmolzen war, nicht zu einer entschädigungslosen Enteignung der GroßgrundbesitzerInnen willig und fähig. Die „Bodenreform“, die sie zur Beruhigung der KleinbäuerInnen und des Landproletariats präsentierte, war kein Zuckerbrot, sondern nur ein paar Krümel Zuckerersatzstoffe. So konnte das besitzlose Landproletariat brachliegende Äcker bewirtschaften, musste dafür allerdings indirekte Pachtgebüren bezahlen. Nach dem von der republikanisch-sozialistischen Regierung 1932 verkündeten Gesetz kamen insgesamt lediglich 43.000 landlose BäuerInnen zu solchen Verträgen. Bis Dezember 1934 waren auf den bis dahin 529 Latifundien mit der Gesamtfläche von 116.857 Hektar lediglich 12.260 BäuerInnen angesiedelt. Zu den paar Reformen gehörten auch die Lohnerhöhungen für das Landproletariat. Der normale Tageslohn der LandarbeiterInnen wurde von zwei bis drei Pesetas auf fünf und während der Ernte auf elf Pesetas angehoben.
Es ist klar, dass bei den wenigen Zuckerkrümel, welche die republikanisch-sozialistische Regierung verteilte, sie ordentlich zur Peitsche gegen den kleinbäuerlichen und proletarischen Widerstand greifen musste. Die KleinbäuerInnen und LandproletarierInnen von Casas Vijas warteten im Januar 1933 nicht länger geduldig auf die Landzuteilung von oben, sondern eigneten sich den Boden selbst an und begannen ihn zu bebauen. Daraufhin befahl der Innenminister Quiroga den Bullen von der Guardia Civil „Gefangene zu machen“. Die führten auch einen harten Krieg gegen die BäuerInnen und LandproletarierInnen des kleinen Dorfes Casas Vijas. Die Bullen jagten die Landbevölkerung wie Tiere und ermordeten zwanzig Menschen. Weitere wurden verwundet.
Auch wurde die Presse der nicht an der Regierung beteiligten institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung durch eine strenge Zensur geknebelt. 9.000 klassenkämpferische ArbeiterInnen wurden von der republikanisch-sozialistischen Regierung nach partei-„kommunistischen“ Schätzungen von Juni 1933 in die Knäste geworfen. Auch verbot dieses Regime wilde Streiks, wodurch sie der CNT den legalen Boden unter den Füßen wegzogen. Der sozialistische Arbeitsminister Caballero – dieser Figur werden wir weiter unten noch als Regierungschef des antifaschistischen Volksfront-Regimes wieder begegnen – kündigte Ende 1931 die Zwangsschlichtung von Streiks ein. Viele Arbeitsniederlegungen des klassenkämpferischen Proletariats wurden vom Staat blutig unterdrückt.
Während die republikanisch-sozialistische Regierung brutal auf das klassenkämpferische Proletariat einschlug, begünstigte sie die monarchistisch-klerikal-faschistische Sozialreaktion, die darauf brannte mit dem Proletariat, der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung und der Republik aufzuräumen. So gründete José Maria Gil Robles zu Beginn der 1930er Jahre die Confederación Espanola de Derechos Autónomos (CEDA) als Sammelbecken aller reaktionären FeindInnen der Republik. Zu diesen reaktionären Kräften gehörte auch die Junta de Ofensiva Nacional Syndicalista (JONS). Diese Partei wurde nach dem Vorbild der italienischen FaschistInnen von José Antonio Primo de Rivera, dem Sohn des ehemaligen Diktators, gegründet. Das klassenkämpferische Proletariat musste die antirepublikanische Reaktion genauso bekämpfen wie die republikanische Sozialreaktion. Dafür brauchte es eine zielklare sozialrevolutionäre Orientierung, die jedoch weder der Parteimarxismus noch der Anarchosyndikalismus geben konnte.
Zunächst weigerte sich die CNT bei den Parlamentswahlen vom November 1933 – die notwendig geworden sind, nachdem der Staatspräsident und Großgrundbesitzer Niceto Alcalá Zamora den Schriftsteller und Regierungschef Manuel Azana entlassen und die verfassungsgebende Cortes aufgelöst hatte – die republikanisch-sozialistische Fraktion des spanischen Nationalkapitals zu unterstützen. Sie rief zum Wahlboykott auf. Das war aus sozialrevolutionärer Sicht eindeutig nicht zu kritisieren. Denn wie wir weiter oben beschrieben haben, hat sich die republikanisch-sozialistische Regierung eindeutig als knallharte Klassenfeindin des Proletariats erwiesen. Wer immer nur das angeblich „kleinere Übel“ unterstützt, entwaffnet das Proletariat geistig und praktisch gegen das kapitalistische Grundübel – und gleichzeitig auch gegen die reaktionärsten Fraktionen des Kapitals. Denn diese bekämpft mensch nicht erfolgreich, indem mensch mit den angeblich „gemäßigteren“ Fraktionen des Kapitals paktiert, sondern durch einen konsequenten Klassenkampf. Klasse gegen Klasse! Diese klare revolutionäre Position muss eine bewusste sozialrevolutionäre Strömung allerdings mit einer ebenso klaren Orientierung auf die soziale Aktionseinheit des klassenkämpferischen Proletariats unterfüttern. Eine sozialrevolutionäre Strömung darf niemals die Partei- und Gewerkschaftsbonzen der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung unterstützen – allerdings müssen sozialrevolutionäre ArbeiterInnen mit den Millionen ProletarierInnen zusammen kämpfen, die noch parlamentarisch-sozialreformistische Illusionen haben. So hätten proletarische RevolutionärInnen zu den sozialistisch beeinflussten ArbeiterInnen sagen müssen: „Wir unterstützen bei den Wahlen die sozialistischen Parteibonzen nicht, denn das sind KlassenfeindInnen des Proletariats, aber wir werden mit euch ohne Organisationsegoismus gegen jede Regierung und das Kapital kämpfen.“
Genau da lag der Hase im Pfeffer. Die CNT war keine wirkliche revolutionäre Organisation, sondern nur eine Gewerkschaft, die zwischen Opportunismus und SektiererInnentum schwankte. So brachte ihr Aufruf zum Wahlboykott die republikanisch-sozialistische Regierung zum Fall – was alles andere als bedauerlich war –, ohne jedoch eine klare Orientierung für den Klassenkampf gegen die gesamte kapitalistische Sozialreaktion geben zu können. Bei den Novemberwahlen errangen bei einer Wahlbeteiligung von 60 Prozent die linken und republikanischen Parteien lediglich 3,2 Millionen Stimmen, während die klerikal-faschistische CEDA und ihre Verbündeten fünf Millionen und die MonarchistInnen 800.000 WählerInnen mobilisieren konnte. Neuer Ministerpräsident wurde Lerroux von der Radikalen Partei, einer demokratischen Formation, die als liberale Partei begann und ziemlich weit rechts endete.
Nun hätte eine wirklich sozialrevolutionäre Kraft Impulse für den Klassenkampf gegen das neue Regime geben müssen – sowohl mit klarer Orientierung auf das Endziel, die klassen- und staatenlose Gesellschaft, als auch auf die soziale Aktionseinheit des klassenkämpferischen Proletariats für den Augenblick. Beide Aufgaben konnte die CNT als nichtrevolutionäre Organisation nicht lösen. Ihre Vorstellungen von der klassen- und staatenlosen Gesellschaft waren zu verschwommen und inkonsequent – die dann nahtlos in eine Form des Kapitalismus umschlugen, wie wir weiter unten noch analysieren werden – und als eine Organisation der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung konnte sie keine Impulse für die soziale Aktionseinheit des klassenkämpferischen Proletariats geben. Gemäß den allgemeinen Entwicklungstendenzen der Gewerkschaftsbewegung konnte die CNT nur das Proletariat an organisationsegoistischen Linien spalten und/oder mit den anderen Parteien und Gewerkschaften zum Wohle des Kapitalismus paktieren. Beides tat die CNT.
Doch schauen wir uns zuerst die Entwicklung der Sozialistischen Partei an. Das ist ja inzwischen ein alter Hut der Sozialdemokratie, dass diese, wenn sie aus der Regierungsverantwortung wieder in die Oppositionsrolle zurückkehrt, sich wieder links gebärdet. Das war auch damals in Spanien so. Dazu kam, dass das Lerroux-Regime nun auch die repressiven Maßnahmen, welche die SozialistInnen in ihrer Regierungszeit selbst erließen, gegen die Sozialistische Partei anwendete. Das führte bei dieser zu einer operettenhaften „Bolschewisierung“. Nun, für die revolutionäre Kritik stellt der staatskapitalistische Bolschewismus selbst nur eine radikale Variante der Sozialdemokratie dar. Aber das Milieu der Sozialistischen Partei war kein Biotop, in der ein wirklicher Bolschewismus entstehen konnte. Der Sozialistischen Partei fehlten sowohl alle bolschewistischen Qualitäten eines kleinbürgerlichen Radikalismus im Kampf um die Staatsmacht als auch die staatskapitalistische Konsequenz nach der politischen Machteroberung. So kamen bei der „Bolschewisierung“ der Sozialistischen Partei kaum mehr als radikal klingende Phrasen über „Revolution“ und „Diktatur des Proletariats“ heraus, die besonders der ehemalige Arbeitsminister der Bourgeoisie, Caballero, drosch.
Na klar, von dem Staatsstreich der bolschewistischen Partei im Oktober 1917 – nach dem alten russischen Kalender –waren die sozialistischen Politbonzen schwer beeindruckt. Aber die soziale Dynamik dieses Staatsstreiches verstanden sie nicht. Die bolschewistische Machteroberung stützte sich auf massenhafte proletarische und kleinbäuerliche Illusionen, die während des revolutionären Prozesses wuchsen. Die Machteroberung der Bolschewiki im Oktober 1917 war der Höhepunkt der antifeudal-antiprivatkapitalistischen Revolution und zugleich der Umschlagmoment in die staatskapitalistische Konterrevolution. Außerdem war die Machteroberung durch die bolschewistische Partei durch die Maske „Alle Macht den Räten“ getarnt – die bolschewistische Parteidiktatur warf freilich diese Maske schnell weg und zeigte ihr wahres staatskapitalistisches Gesicht (siehe dazu: Nelke, Schriften zur russischen Revolution (1917-1921), Soziale Befreiung, Bad Salzungen 2012). Die Politbonzen der Sozialistischen Partei glaubten bei der Vorbereitung eines Staatsstreiches sowohl auf die Radikalisierung des Proletariats in einem längeren Prozess als auch auf eine Maskierung durch Organe der proletarischen Selbstorganisation verzichten zu können. Dadurch wurde die „Bolschewisierung“ der Sozialistischen Partei eine eher karikaturhafte Kopie des Originals. Die StalinistInnen bezeichneten auch die sich radikalisierende Sozialistische Partei weiterhin als „sozialfaschistisch“. Aber die TrotzkistInnen, welche das verklärte Ideal des Bolschewismus gegen seine folgerichtige Entwicklung zum Stalinismus verteidigten und inzwischen die Reform der Moskauhörigen „Kommunistischen“ Internationale aufgaben und auf eine IV. Internationale lossteuerten, waren bei aller „Kritik“ doch stark beeindruckt von den bolschewistischen Phrasen der spanischen Sozialdemokratie. Trotzki forderte sogar von seinen spanischen Anhängern, den so genannten „Linken Kommunisten“ den Eintritt in die Sozialistische Partei, um deren Radikalisierungsprozess stärker beeinflussen zu können. Doch die „linken Kommunisten“ lehnten den Eintritt in die Sozialistische Partei ab.
Doch eines war an der operettenhaften Radikalisierung der Sozialistischen Partei echt: sie wollte nicht kampflos gegenüber dem Faschismus kapitulieren wie die deutsche Sozialdemokratie. So organisierte die PSOE einen reproduktiv-defensiven Klassenkampf des Proletariats gegen die klerikal-faschistische CEDA. Eine bewusste sozialrevolutionäre Strömung hätte zur Teilnahme an diesem Kampf aufrufen müssen, ohne irgendwelche Bündnisse mit den Partei- und Gewerkschaftsbonzen der institutionalisierten ArbeiterInnenbewegung einzugehen, sondern gegen diese permanent kämpfend. Auch hätte eine bewusste sozialrevolutionäre Strömung während des reproduktiv-defensiven Klassenkampfes gegen die CEDA die antifaschistische Ideologie-Produktion in all ihren Schattierungen kritisiert und die Notwendigkeit eines revolutionären Klassenkrieges gegen die Demokratie als Diktatur des Kapitals betont.
Die CEDA versuchte im Jahre 1934 große Versammlungen zu organisieren, nämlich die am 22. April in Escurial nahe Madrid, die der katalanischen GroßgrundbesitzerInnen am 8. September in Madrid gegen die von der katalanischen Regionalregierung beschlossenen liberalen Pachtgesetze und die am 9. September in Covadongas, Asturien. Doch Dank des klassenkämpferischen Proletariats wurden alle drei Versammlungen der KlerikalfaschistInnen zu Misserfolgen. Die ArbeiterInnen legten in den jeweiligen Regionen, in denen die CEDA ihre Versammlungen organisierte, die Arbeit nieder und kämpften gegen den Klerikal-Faschismus. Sie rissen Straßenbahnschienen auf, stoppten Züge, machten die Verpflegung und Unterbringung der CEDA-AktivistInnen unmöglich, blockierten die Straßen durch Barrikaden und zwangen die Klerikal-FaschistInnen mit Fäusten und Waffen zur Umkehr. Die paar ReaktionärInnen, die mit Hilfe der Armee und der Guardia Civil trotz des proletarischen Klassenkampfes zu den Versammlungsorten tröpfelten, boten ein eher klägliches Bild und demonstrierten die Ohnmacht des Klerikal-Faschismus im sozialen Klassenkrieg.
Neben den Kämpfen gegen die CEDA radikalisierte sich auch sonst der reproduktive Klassenkampf. So legte im Juni 1934 ein Generalstreik des Landproletariats für zwei Wochen die landwirtschaftliche Agrarproduktion lahm. Die Regierung verhängte gegen das klassenkämpferische Proletariat den Ausnahmezustand. Auch in der Industrie kam es verstärkt zu Arbeitsniederlegungen. Als die CEDA im Oktober 1934 drei Mitglieder in die Regierung entsandte, riefen die Sozialistische Partei und die von dieser beeinflusste Gewerkschaft UGT am 4. Oktober zum Generalstreik auf. Eine revolutionäre Strömung hätte am Generalstreik teilgenommen, gleichzeitig dessen antifaschistische Beschränktheit kritisiert. Die katalonische CNT boykottierte stattdessen den Generalstreik mit dem pseudoradikalen Argument, dass sich dieser nicht gegen die Bourgeoisie richten würde. Durch diese organisationsegoistische Spaltung des klassenkämpferischen Proletariats durch die CNT-Bonzen wurde die kapitalistische Sozialreaktion enorm begünstigt. Durch nichtstreikende CNT-BahnarbeiterInnen konnte die Regierung Truppen und Güter transportieren. Der Generalstreik radikalisierte sich zum bewaffneten Kampf.
Durch das Verhalten des Vorsitzenden der katalonischen Regionalregierung und des Führers der Esquerra Repblicana de Catalunya (ERC), Lluis Companys, wurde mal wieder der hilflose Charakter des demokratischen Antifaschismus deutlich. Companys nahm die Regierungsbeteiligung der KlerikalfaschistInnen zum Anlass, um die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien auszurufen. Daraufhin kassierte das Regime in Madrid das katalonische Autonomiestatut aus dem Jahre 1934. Als die spanische Zentralregierung Truppen schickte, weigerte sich Companys selbstverständlich das Proletariat zu bewaffnen und kapitulierte. Logisch. Die Madrider Regierung verkörperte für Companys eine Klassenschwester, mit der es gerade etwas Krach gab, aber das Proletariat war der Klassenfeind!
Während das Madrider Regime im übrigen Spanien mit eiserner Hand den Generalstreik und den vereinzelten bewaffneten Widerstand des Proletariats niederschlug, entwickelte sich in Asturien in der Nacht zum 5. Oktober 1934 ein größerer Aufstand. Das klassenkämpferische Proletariat zwang die Partei- und Gewerkschaftsbonzen von PSOE, P„C“E, UGT und CNT zur Einheit – weil sie sonst die Kontrolle über diesen Aufstand verloren hätten. Die mit Gewehren und Dynamitstangen bewaffneten ArbeiterInnen besetzten mehrere Dörfer und Städte. Auch die Provinzhauptstadt von Asturien, Oviedo, wurde vom klassenkämpferischen Proletariat besetzt. Es wurde die Arbeiter-und-Bauern-Macht proklamiert und eine ArbeiterInnenmiliz gebildet. Teile der Armee verbrüderten sich mit den Aufständischen. Das Madrider Regime setzte daraufhin die Fremdenlegion und die maurischen Regulares gegen die asturische Kommune ein. Die konterrevolutionären Truppen standen übrigens unter dem Kommando eines gewissen Francisco Franco. Nach schwerer militärischer Repression, zu denen auch Bombenangriffe gehörten, wurde die asturische Kommune von der Reaktion nach zwei Wochen erstickt. In diesem Kampf wurden 3.000 Menschen getötet und 7.000 verwundet. Die siegreiche Konterrevolution inhaftierte, folterte und misshandelte nach der Niederschlagung des Klassenkampfes in Asturien 40.000 Menschen. Auch nach der konterrevolutionären Zerschlagung der Kommune von Asturien war der Kampfeswille des Proletariats noch nicht gebrochen. Am 1. Mai 1935 legten die ProletarierInnen Spaniens nahezu vollständig die Arbeit nieder. Auch die Kampagne für die Amnestie der Inhaftierten des Klassenkampfes setzte das Madrider Regime gehörig unter Druck.
Die Regierungskoalition aus Radikaler Partei und CEDA geriet im Herbst 1935 in eine Krise. Es wurden Korruptionsskandale bekannt, in die auch Ministerpräsident Lerroux verwickelt war. Der klerikalfaschistische CEDA-Boss Gil Robbles, der auch seit April 1935 Kriegsminister war und in dieser Funktion Franco zum Chef des Generalstabes gemacht hatte, hoffte vergeblich auf den Posten des Ministerpräsidenten einer neuen Regierung. Präsident Zamora löste das Parlament, die Cortes, auf und setzte für Februar 1936 vorgezogene Neuwahlen an.

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