Neue Broschüre: Klassenkämpfe in Oberschlesien (1913-1919)

16. Mai 2023

Unsere neue Broschüre „Klassenkämpfe in Oberschlesien (1913-1919)“ (ca. 129 Seiten) von Soziale Befreiung ist da. Die Broschüre könnt Ihr hier für 5-€ (inkl. Porto) über Onlinemarktplatz für Bücher booklooker.de oder direkt bei uns auch als E-Book bestellen.

Inhalt

Einleitung

I. Der weltgeschichtliche Zusammenhang der damaligen Ereignisse in Oberschlesien

1. Die Vermehrung der Nationalkapitale

2. Die strukturelle Profitproduktionskrise (1913-1945)

3. Der reproduktive Klassenkampf

4. Das Deutsche Kaiserreich

5. Kurze Geschichte Oberschlesiens bis 1913

6. Der Parteimarxismus in Deutschland bis 1914

7. Der Erste Weltkrieg (1914-1918)

8. Revolution und Konterrevolution in Russland (1917-1921)

9. Die Ungarische „Räterepublik“

10. Die akute Phase der revolutionären Nachkriegskrise in Deutschland

11. Die Herausbildung des antipolitischen und antinationalen Kommunismus

II. Klassenauseinandersetzungen in Oberschlesien während des Ersten Weltkrieges

1. Arbeits- und Lebensbedingungen des Proletariats in Oberschlesien

2. Klassenkämpfe kurz vor dem imperialistischen Gemetzel

3. Klassenkämpfe während des imperialistischen Gemetzels

III. Die revolutionäre Nachkriegskrise in Oberschlesien

1. Die Novemberrevolution in Oberschlesien

2. Das oberschlesische Rätesystem

3. Der BergarbeiterInnenstreik vom November 1918

4. Die Herausbildung der KPD in Oberschlesien

5. Klassenauseinandersetzungen im Dezember 1918/Januar 1919

6. Deutscher Imperialismus, Oberschlesische Autonomiebewegung und polnischer Nationalismus

7. Die Märzkämpfe von 1919

8. Klassenkämpfe im April 1919

9. Der polnische Nationalismus im April 1919

10. Der 1. Mai 1919 in Oberschlesien

11. Streiks am 3. Mai

12. Oberschlesien in der imperialistischen Auseinandersetzung

13. Der Aufstandsversuch des polnischen Nationalismus im Juni 1919

14. Der Generalstreik vom 11. August 1919

15. Der Aufstand des polnischen Nationalismus

3. Der reproduktive Klassenkampf

Wie wir bereits im Kapitel I.2 erläuterten, entfaltet sich gegen die starke Tendenz des Kapitals zur Überausbeutung der LohnarbeiterInnen, die die biosoziale Reproduktion des Proletariats gefährdet, der Klassenkampf des letztgenannten. Dieser Klassenkampf wird im „Normalfall“ innerhalb von den Kapitalismus reproduzierenden Grenzen geführt. Diese reproduktiven Grenzen des proletarischen Klassenkampfes sind zugleich seine sozialkonservativen Tendenzen. Diese entfalten sich jedoch nur relativ zu jenen, die den Kapitalismus modernisieren auf der einen und sozialrevolutionären Tendenzen auf der anderen Seite.

Der reproduktive Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat modernisiert den Kapitalismus. Im Kapitalismus werden Maschinen nur dann angewendet, wenn deren Preise niedriger sind als die Löhne der ArbeiterInnen, dessen Einsatz sie ersetzt. Erkämpft sich das Proletariat höhere Löhne, dann können Maschinen profitabel sein, die es davor noch nicht waren. Oder das Proletariat führt einen erfolgreichen Klassenkampf für kürzere Arbeitszeiten mit einem vollständigen Lohnausgleich. Dadurch sinkt die Mehrarbeitszeit, in der der Mehrwert produziert wird und damit die Mehrwertrate. Das Management der Einzelkapitale wird versuchen, die Arbeitszeit zu intensivieren. Also das in der kürzeren Zeit mindestens genauso viel Tausch- und Mehrwert produziert wird wie vor der Arbeitszeitverkürzung.

Die Bedingungen für den reproduktiven Klassenkampf des Proletariats sind während der zyklischen Aufschwünge innerhalb der Perioden der beschleunigten Vermehrung der Nationalkapitale (siehe Kapitel I.2) am günstigsten. In diesen Zeiten ist die Arbeitslosigkeit sehr niedrig und es herrscht eine relativ große Nachfrage nach Arbeitskräften. Die Lohnabhängigen können hier also durch Streiks besonders günstig höhere Löhne und niedrigere Arbeitszeiten erkämpfen. Sowohl die Arbeitsniederlegungen als auch die erkämpften höheren Löhne und kürzeren Arbeitszeiten üben einen großen Druck auf die Mehrwertraten aus. Das klassenkämpferische Proletariat verschärft also unter den besten Bedingungen den tendenziellen Fall der Profitrate und siegt sich zu Tode. Gerät die nationale Kapitalvermehrung durch den tendenziellen Fall der Profitrate in die strukturelle Profitproduktionskrise – so wie in Westeuropa und in den USA 1913 sowie 1974 (siehe Kapitel I.2) – dann verschlechtern sich die Kampfbedingungen für das Proletariat wieder.

So war es zum Beispiel während der Zunahme und Radikalisierung des Klassenkampfes am Ende des privatkapitalistischen Aufschwunges nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen 1968 und 1973 – das proletarische 1968. Das klassenkämpferische Proletariat übte gewaltigen Druck auf die Mehrwert- und Profitraten aus und verschärfte damit die potenzielle Profitproduktionskrise. Als diese dann 1974 akut wurde, wurde es in Folge der „neoliberalen“ Gegenoffensive der westeuropäischen und nordamerikanischen Bourgeoisie zum Objekt einer sich verschärfenden Ausbeutung. Das klassenkämpferische Proletariat hatte sich „1968“ zu Tode gesiegt…

Die strukturelle Profitproduktionskrise ist durch eine tendenziell höhere Arbeitslosigkeit wesentlich ungünstiger für das klassenkämpferische Proletariat als die Periode der beschleunigten Kapitalvermehrung. Allerdings kann die strukturelle Profitproduktionskrise auch zur Verschärfung und Radikalisierung des Klassenkampfes führen. Die militärische Führung des verschärften zwischenstaatlichen Konkurrenzkampfes in Form des Ersten Weltkrieges (siehe Kapitel I.7) – die auch eine Folge der strukturellen Profitproduktionskrise war – reduzierte am Anfang des imperialistischen Gemetzels den proletarischen Klassenkampf. Aber das große gegeneinander Abschlachten verstärkte auch das Elend des Proletariats und so nahm der Klassenkampf ab 1917 wieder zu und radikalisierte sich zur revolutionären Nachkriegskrise (siehe die Kapitel I.8 bis I.10). Doch die privat- und staatskapitalistische Konterrevolution („Sowjet“-Russland!) konnte die revolutionären Anläufe in Blut ersticken…

Durch ein Radikalisierungsprozess kann sich also der Klassenkampf zur Revolution zuspitzen. Schon der reproduktive Klassenkampf hat revolutionäre Tendenzen und Potenzen. Die ArbeiterInnen hören durch Streiks auf Mehrwert zu produzieren. Im frühen Industriekapitalismus waren Streiks und Gewerkschaften absolut verboten. Doch das spitzte den Klassenkampf nur noch mehr zu. So lernten große Teile der Weltbourgeoisie im sozialen Prozess, dass es unmöglich ist, in einer Klassengesellschaft den Klassenkampf absolut zu verbieten. Sie erlaubten Streiks unter bestimmten Bedingungen. Die Gewerkschaften wurden legalisiert und durch das Tarifvertragssystem in die Einzel- und Nationalkapitale integriert. Es entstanden große bürgerlich-bürokratische Gewerkschaftsapparate, die sich zu Co-Managerinnen von Kapital und Staat entwickelten. Die Gewerkschaften wurden zu Wachhunden des Kapitals gegen das klassenkämpferische Proletariat. Auf diese Weise mauerte das demokratische Streikrecht viel effektiver die reproduktiven Grenzen des Klassenkampfes ein als ein absolutes Streikverbot.

Aber auch durch die Verrechtlichung und Einhegung des Klassenkampfes durch demokratisches Streikrecht, das Tarifvertragssystem und in die Einzel- und Nationalkapital integrierte Gewerkschaften entfalten sich weiterhin in und durch ihn sozialrevolutionäre Tendenzen und Potenzen. Die wichtigste revolutionäre Tendenz und Potenz ist die klassenkämpferische Selbstorganisation des Proletariats. Im „Normalfall“ der kapitalistischen Ausbeutung und der sozialstaatlichen Elendsverwaltung wird das Proletariat von Kapital und Staat fremdorganisiert. Nur im Klassenkampf kann sich das Proletariat selbst und gegen die totalitären Vermehrungsbedürfnisse des Kapitals für eigene Bedürfnisse und Interessen organisieren. Mit zunehmender Herausbildung bürgerlich-bürokratischer Gewerkschaftsapparate und deren Integration in Kapital und Staat richtet sich die klassenkämpferische Selbstorganisation notwendig auch gegen die hauptamtlichen Gewerkschaftsbonzen, die sozial nicht mehr zum Proletariat gehören, sondern eine besondere Art von ManagerInnen bilden.

Bereits in längeren, offiziell noch von den Gewerkschaften kontrollieren Streiks, können sich Formen von Doppelherrschaft herausbilden. Auf der einen Seite die bürgerlich-bürokratischen Gewerkschaftsapparate und auf der anderen die Strukturen der klassenkämpferischen Selbstorganisation der Basis, durchaus auch Untergrundstrukturen. Am stärksten entfaltet sich die klassenkämpferische Selbstorganisation bei wilden, gewerkschaftsunabhängigen Ausständen. Ist der gewerkschaftsunabhängige, selbstorganisierte Klassenkampf von kurzer Dauer und/oder sind nur wenige ArbeiterInnen in ihm aktiv, dann reicht oft dessen informelle Form. Dauert der wilde Streik jedoch länger an und/oder sind mehrere Belegschaften an ihm beteiligt, dann sind wahrscheinlich offizielle Organe, gewerkschaftsunabhängige Streikkomitees, notwendig. So entwickelt sich bereits im reproduktiven Klassenkampf in Form der proletarischen Selbstorganisation die organisatorische Alternative zu den Gewerkschaftsapparaten. In der sozialen Revolution ist jedoch eine revolutionäre Klassenkampforganisation notwendig. So entfalteten sich in der europäischen revolutionären Nachkriegskrise (siehe die Kapitel I.8 bis I.10) die ArbeiterInnenräte als potenzielle Revolutionsorgane, die jedoch von der privat- und staatskapitalistischen Konterrevolution zerschlagen werden konnten…

Eine sehr revolutionäre Tendenz des reproduktiven Klassenkampfes ist auch die embryonale Errichtung der Diktatur des Proletariats. Diese ist keine Staatsform, wie der Marxismus behauptet (siehe Kapitel I.6), sondern der militante Kampf des Proletariats gegen Kapital und Staat. Im Normalfall ist das Proletariat sowohl im Produktionsprozess als auch in der Gesamtgesellschaft der Diktatur des Kapitals unterworfen. Politische Form der kapitalistischen Diktatur ist der bürgerliche Staat in allen seinen Formen – also auch in demokratischen. Schickt der Staat seine offiziellen Hooligans gegen Streikende, dann ist die militante Gegenwehr des Proletariats notwendig. Manchmal setzt sich diese Notwendigkeit in Form der Diktatur des Proletariats durch. Auch im Produktionsprozess setzten sich bereits im reproduktiven Klassenkampf vorübergehend Formen der proletarischen Diktatur in Form von Zwang und Gewalt gegen die großen Bosse, Abteilungsleiter und den Werkschutz durch. Während einer möglichen siegreichen Revolution erlebt die Diktatur des Proletariats notwendig ihren Höhepunkt, indem sie den kapitalistischen Staat zerschlägt und prozesshaft in eine klassen- und staatenlose Gesellschaft übergeht…

…..

Die proletarische Selbstorganisation entfaltet sich bereits im konspirativ-illegalen Alltagsklassenkampf. Dieser nimmt unzählige konkrete Formen an. Dabei nutzen die LohnarbeiterInnen die Lücken ihrer Kontrolle durch die Hierarchie von Chefs und Chefchens sowie von Überwachungstechnik aus. Sie machen illegal Pausen, bessern durch die Entwendung von kleineren Produktionsmitteln und Produkten während des Arbeits- und Ausbeutungsprozesses ihren Lohn auf, verüben Sabotage an den kapitalistischen Produktionsmitteln oder eignen sich diese produktiv und illegal an.

Wir wollen die revolutionären Tendenzen und Potenzen des konspirativ-illegalen Alltagsklassenkampfes an den Beispielen der Sabotage und produktiven Aneignung verdeutlichen. Bei der Sabotage zerstören die ProletarierInnen die kapitalistischen Produktionsmittel, die zugleich gegen die lohnabhängigen Menschen, Tiere und Pflanzen monströse Destruktivkräfte sind. Sowohl individuell als auch kollektiv, dabei einen technischen Defekt vortäuschend. Um während der Reparatur oder der Ersetzung des defekten Produktionsmittels mal ein wenig Ruhe zu haben. Die Sabotage hat starke revolutionäre Tendenzen. Der Arbeitsvertrag wird faktisch gebrochen, das kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln praktisch nicht anerkannt. Anstatt mit den Produktionsmitteln des Kapitals fremden Reichtum zu vermehren, machen die Sabotage leistenden ProletarierInnen das kaputt, was sie kaputt macht. Allerdings nur für kurze Zeit. Bis zur Reparatur oder Ersetzung der kaputt gemachten Produktions- und Destruktionsmitteln. Das ist die reproduktive Grenze der Sabotage.

Bei der produktiven Aneignung nutzen die Lohnabhängigen, immer wenn der Chef nicht da ist oder wenn es Lücken in der technischen Überwachung gibt, die kapitalistischen Produktionsmittel, um für sich selbst Dinge herzustellen. Diese Form des konspirativ-illegalen Alltagsklassenklassenkampfes ist sowohl in noch handwerklich geprägten Branchen oder an modernen Computer-Arbeitsplätzen möglich. Zum Beispiel können in einer Tischlerei die Lohnabhängigen, immer wenn der Chef nicht da ist, Dinge für den eigenen Bedarf produzieren. Oder an modernen Computern kann der Angestellte ein Liebesgedicht für seine Freundin schreiben, anstatt langweilige Betriebsabrechnungen vorzunehmen. In beiden Fällen stellen die Produktionsmittel während der konspirativ-illegalen produktiven Aneignung faktisch kein gegenständliches produktives Kapital und die Lohnabhängigen kein menschliches produktives Kapital mehr da, obwohl sie es formal natürlich bleiben. Aber faktisch produzieren die Lohnabhängigen während der illegal-konspirativen produktiven Aneignung der Produktionsmittel kein Tausch- und Mehrwert für das Kapital, sondern stellen nützliche Dinge für sich selbst her.

Dass dies nur vorübergehend oder bei einer Verbesserung der Kontrolle der Lohnabhängigen beziehungsweise einer Verdichtung der Ausbeutung (Intensivierung der Arbeitszeit) gar nicht mehr geschehen kann, ist die reproduktive Grenze der produktiven Aneignung als einer Form des illegal-konspirativen Alltagsklassenkampfes. Sie kann nur überwunden werden, indem das Proletariat sich revolutionär selbst aufhebt, alle Produktionsmittel in gesamtgesellschaftliche Verfügungsgewalt überführt, die Ware-Geld-Beziehung überwindet und den Staat zerschlägt.

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